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Schnapsdrosseln

Schnapsdrosseln

Titel: Schnapsdrosseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Trinkaus
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die Welt, die gerade so brüchig geworden war, nicht völlig in Stücke ging. Sie räusperte sich. Ich kann nicht anders, hätte sie sagen können, alles andere wäre idiotisch und fahrlässig, alles andere brachte womöglich jemanden um, hatte womöglich jemanden umgebracht. Sie verbot sich den Gedanken, denn so etwas dachte man nicht, schon gar nicht jetzt und hier.
    »Nichts«, sagte sie leise. »Sonst nichts.« Ihr wurde wieder übel.
    »Eine Tasse Tee?« Elsa kam mit einem Tablett ins Wohnzimmer. »Eine Tasse Tee wird uns jetzt sicher guttun!«
    Ohne ein Wort stürmte Dieter an ihr vorbei. Wenige Sekunden später fiel die Haustür ins Schloss.
    Ein letzter Strich auf der Anzeige des Handys, der Akku war fast leer. Das Klingeln hatte die Energie aus dem Gerät gesaugt. Und aus ihm. Und doch war er nicht auf die Idee gekommen, den Ton auszuschalten. Oder das Gerät. Weil er ein Idiot war.
    Er sah hinaus in den Wald, sah das frische Grün an den Bäumen, auf dem Boden, dort, wohin sanftes Licht fiel. Idiot. Er klammerte sich an den Gedanken, suhlte sich darin. Es tat gut, nicht länger nach Ausflüchten zu suchen.
    Er hatte es vermasselt. Alles. Die idiotische Flucht war das letzte kleine Stück gewesen, das das Versagen komplettierte. Auch wenn sie die Sache nicht wirklich schlimmer machte. Denn schlimmer war keine Kategorie, wenn man am Ende war.
    Er hatte die Kontrolle verloren. Lange bevor diese Polizistin aufgekreuzt war.
    Sein Auto stand auf dem Parkplatz am Jägerhäuschen, ein gutes Stück hinter Röttgen. Es würde vorerst niemandem auffallen. Ein sonniger Frühlingstag, ein Auto am Rand des Kottenforsts, das war normal, das wunderte niemanden. Fürs Erste war er sicher. Er lachte laut auf bei diesem idiotischen Gedanken. Idiot! Idiot! Idiot!
    Du kannst nicht immer nur weglaufen. Annas Stimme war in seinem Kopf, ihre Enttäuschung, Verletzung, ihre Bitterkeit, die Löcher in seine Seele fraß. Es tat ihm leid, aber das war egal, es änderte nichts.
    Mitten im Wald mit einem Handy, das fast leer war. Mit zwanzig Euro in der Tasche. Er war hungrig und durstig, und bald würde es dunkel werden und kalt.
    Es gab nur einen Ort, an den er gehen konnte. Wollte. Nur einen Menschen, den er brauchte. Er hatte eine SMS geschrieben. Ein paar winzige Worte, die alles sagten oder nichts. Eine Frage, von der alles abhing.
    Er schaffte es nicht, auf »Senden« zu drücken. Denn er war nicht nur ein Idiot. Er war auch ein Feigling.
    Was hast du dir nur dabei gedacht? Annas Stimme kehrte in seinen Kopf zurück. Es tut mir leid, dachte er wieder.
    Er würde die SMS abschicken. Anrufen wäre besser, aber ein Anruf barg die Gefahr, das zu hören, was man nicht hören, nicht ertragen wollte.
    Er würde die SMS abschicken. Jetzt sofort. Er sah auf das Handy.
    Das Display war erloschen.
    Anna starrte auf den Küchentisch. Eine Platte mit Bockwürsten, Kartoffelsalat und Brötchen. Bunte Servietten und ein Glas Senf. Dazwischen ihr Handy, still und schweigend. Sie hatte die Hoffnung aufgegeben, dass er sich melden würde. Trotzdem lag es da, immer greif-und hörbar.
    Karla hatte alles mitgebracht. Sie hatte eingekauft, hatte die Würstchen warm gemacht. Sie hatte den Tisch gedeckt, liebevoll, optimistisch, Würstchen und Kartoffelsalat, das war Kindergeburtstag. Passte nicht in das Haus, das keine Zuflucht mehr war, sondern Schauplatz einer Tragödie.
    »Jetzt iss doch wenigstens eine halbe Wurst. Oder magst du was anderes? Vielleicht ein Käsebrötchen?« Karla klang besorgt. »Du musst doch etwas essen.«
    Sie meinte es gut. Sie meinte es immer gut, aber das änderte nichts.
    »Was unternehmen sie denn jetzt? Die Polizei. Und was ist das für ein Unsinn mit dieser Privatermittlerin?« Sie schenkte sich Kaffee nach. »Soll ich da vielleicht mal anrufen? Irgendjemand muss uns doch Auskunft geben.« Karla war zehn Jahre älter als Anna. Zeigte manchmal mehr Mütterlichkeit, als Anna ertragen konnte. Karla war eine Macherin. Eine, die sich auf Fakten konzentrierte. Sie war möglicherweise froh, dass es eine neue, eine frische Katastrophe in Annas Leben gab. Eine, gegen die man etwas unternehmen konnte.
    Karla hatte das alte Drama satt. »Vielleicht ist es an der Zeit, darüber hinwegzukommen«, hatte sie neulich gesagt. »Es gibt noch andere Wege. Adoption zum Beispiel.«
    Anna hatte sich zusammenreißen müssen, um sie nicht anzuschreien. Adoption! Wie hoch waren die Chancen mit Ende dreißig? Mit einem Einkommen, von dem man sich

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