Schnapsdrosseln
sein. Oder eben nicht.«
Sie schwiegen einen Moment und betrachteten gemeinsam die friedliche Spielplatzszene. Lukas wippte mit todernstem und entschlossenem Gesicht in einer Frequenz, die Margot schon beim Zusehen Übelkeit verursachte. Jan-Erics Loch war mittlerweile so tief, dass er sich weit vorbeugen musste, um weiterzukommen.
»Scheiße«, sagte Till dann. »Das ist alles eine solche Scheiße! Ich denk schon den ganzen Tag …«
»Was? Till, jetzt spuck es einfach aus.«
»Na, es gibt ja immerhin auch eine andere Erklärung dafür, dass er weg ist. Norbert ist ein Softie, ja. Nicht der gewalttätige Typ und so. Aber … was ist, wenn ihm einfach die Sicherung durchgebrannt ist? Wenn er tatsächlich … Ich weiß ja, dass ich das nicht denken darf, aber wir können doch nicht sicher sein, oder?«
»Nein. Man kann nicht sicher sein. Aber es ändert nichts. Er muss wiederauftauchen. Er muss mit der Polizei sprechen.«
Till nickte trübsinnig.
»Wörner ist ein guter Bulle. Der versteht seinen Job«, fuhr Margot fort. »Aber wenn du ihm je erzählst, dass ich das gesagt habe, dann töte ich dich auf langsame und schmerzhafte Weise.« Immerhin entlockte diese Aussage Till ein kurzes Grinsen.
Margot sah ihn an. »Also gut. Dann haben wir das doch geklärt. Ich nehme zur Kenntnis, dass deine Mutter heimlich fürchtet, dass Norbert durchgebrannt ist und ich deshalb überflüssig bin. Außerdem nehme ich zur Kenntnis, dass mich vermutlich niemand bezahlen kann. Du hingegen nimmst bitte zur Kenntnis, dass du mich so leicht nicht loswirst. Auftrag ist Auftrag.«
Etwas brach durchs Gebüsch. Ein kleiner Spitz raste kläffend auf den sandigen Platz. Er zog eine Leine hinter sich her.
Lukas unterbrach sein Gewippe und stieß einen schrillen Schrei aus. Auch Jan-Eric rappelte sich hoch. Im Unterschied zu Lukas wirkte er allerdings eher erfreut als ängstlich. »Wauwau«, sagte er strahlend und streckte dem Köter die Hand entgegen.
»Jan-Eric!«, hörte man seine Mutter brüllen. »Nimm die Hand da weg!«
Jan-Eric näherte sich unbeeindruckt dem Hund, der nun leise knurrte. »Wauwau«, wiederholte er, als seine Mutter ihn erreichte und mit einem routinierten Handgriff vom Boden auf den mütterlichen Arm riss. Auch Lukas’ Mutter hob ihren nun heulenden Sohn vom Wipptier. Der Spitz begann erneut, in nervenzerfetzender Frequenz zu kläffen.
Till sprang auf. Er griff nach der Leine des giftig geifernden Hundes und zerrte ihn von den Beinen der Frauen weg.
»Was machen Sie da? Was machen Sie mit meinem Hund?« Die schrille Stimme gehörte zu einer älteren Dame, die atemlos um die Ecke bog. »Komm her, mein Mädchen«, rief sie. »Komm zu Mutti!«
Im Unterschied zu allen anderen Anwesenden schenkte der Spitz ihr keine Beachtung, sondern zog knurrend an der Leine. Er schien wild entschlossen, sich in irgendeine Wade zu verbeißen.
»Ist das Ihrer?«, keifte Jan-Erics Mutter. Ihre Freundin, die mit Lukas auf dem Arm neben sie getreten war, stieß ihr einen Ellbogen in die Seite.
»Beruhige dich«, sagte sie leise.
»Er hat sich losgerissen«, sagte die alte Dame. Es klang eher vorwurfsvoll als entschuldigend. »Komm her, mein Mäuschen«, säuselte sie dann in Richtung Zwergspitz. »Komm zu Mutti. Du sollst nicht weglaufen. Du weißt doch, dass du nicht auf den Spielplatz darfst. Wir haben doch darüber gesprochen.«
»Sie haben … was bitte?« Fassungslos schnappte die Jan-Eric-Mutter nach Luft. »Da hört sich doch wohl alles auf!«
Für einen Moment hörte man nur das leise Knurren des Hundes und Lukas’ Schluchzen.
»Frau Nolden …« Till räusperte sich. »Ich … entschuldigen Sie, ich habe ihn eingefangen.« Er reichte ihr die Leine. »Und es tut mir leid«, stammelte er dann. »Also, das mit Ihrem Sohn, meine ich, mein Beileid, das wollte ich sagen.«
Augenblicklich gewann die Szene für Margot an Spannung. Sie musterte die Frau. Sie trug eine dunkle Hose, die elegant hätte wirken können, es aber nicht tat, darüber ein schwarzes Jäckchen, das eindeutig zu schick für einen Spaziergang mit Hund und zu zart für die recht breiten Schultern war.
Frau Nolden sah Till misstrauisch an. »Sie sind doch der Neffe …« Ihre gezupften Augenbrauen hoben sich. »Der Neffe von …« Sie trat einen Schritt zurück. »Danke«, sagte sie, und es klang ätzend. »Vielen Dank auch. Aber auf Ihr Beileid kann ich verzichten!« Es klang, als würde sie etwas Fauliges ausspucken.
Till wurde rot.
»Komm, mein
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