Schnarchen heilen
Schlafapnoiker war nach Ansicht des amerikanischen Pneumologen Mitchell L. Margolis offenbar der Komponist Johannes Brahms. In seiner Jugend war Brahms schlank und hatte mit seinen langen, blonden Haaren auf die bekannte Konzertpianistin Clara Schumann, Frau des Komponisten und Musikkritikers Robert Schumann, den Eindruck eines ätherischen Engels gemacht. Schon mit fünfunddreißig Jahren aber war Brahms so dick, dass er Schwierigkeiten hatte, seinen Pelzmantel über dem Bauch zuzuknöpfen. Er hatte einen kurzen, dicken Hals und weigerte sich auch in guter Gesellschaft, einen Schlips umzubinden. Er trug Hemden ohne Kragen, was seine Freunde, als er 1890 mit dem Leopoldsorden ausgezeichnet wurde, zu dem Reim veranlasste: „Nun hat er was, um es am Halse zu tragen, aber leider noch immer keinen Kragen.“
In diesem kurzen, dicken Hals des Komponisten trat offenbar während des Schlafs etwas ein, was man heute in Fachbüchern als Ursache des Schnarchens bezeichnet. Brahms begann zu dösen, und dabei erschlaffte die Muskulatur seiner Luftwege in Höhe des Rachens. Während Brahms das Orchester dirigiert hatte, war eine Grundspannung in seinem Körper gewesen, die auch dafür gesorgt hatte, dass die Muskelzüge, die seinen Rachen aufspannten, ein straffes Rohr bildeten. So konnte die Luft ohne Probleme aus- und einstreichen. Während er den Taktstock führte und seine Augen mit größter Aufmerksamkeit das Orchester absuchten, lagen seine Eingeweide tief unten im Bauch und wölbten diesen noch etwas stärker vor. Im Bereich der Lungen, in die der Atem manchmal tiefer, manchmal oberflächlicher einströmte, war genügend Platz. Doch nun im Schlaf schoben sich die Leber und der volle, mit Speisen und Trank gefüllte Magen hoch und bedrängten die Lungen. Dieser Druck reichte bis in den Hals, der kurz und dick war und schon an sich wenig Luft durchließ. Als nun die Atemluft durch diese Enge strich, gerieten die gelockerten Wände der Luftwege in Schwingungen, und dann ertönte plötzlich dieser Laut, unartikuliert, blasend, kratzend: Brahms schnarchte. Die Wände seines Rachens, der Zungengrund, der weiche Gaumen, all das rieb sich aneinander und flatterte, als die Luft vorbeiströmen wollte. Und nun kam es noch schlimmer: Brahms war erschöpft, er war betrunken, er hatte zu viel gegessen, er lag flach auf dem Rücken, und seine Muskeln erschlafften zunehmend. Je stärker sie das taten, desto enger wurde es im Rachenraum. Plötzlich war da ein Stopfen im Halse des Komponisten, die Luft stockte. Die Atmung setzt aus, und es war still. Es war so still, als sei Brahms längst gestorben. Er lag da, ohne dass frische Luft in seinen Körper gelangte. Er war wie ein Fisch ohne Kiemen. Seine Reglosigkeit, die ihn erst erblassen und dann bläulich anlaufen ließ, führte bei dem Schlafenden zu einer Panik, die bis in das erschöpfte Gehirn vordrang und ihm das Gefühl der Not, der Dringlichkeit, vermittelte. So signalisierte das zunehmend einsäuernde Blut den Sauerstoffmangel an die Schaltzentrale eines der größten musikalischen Genies der Geschichte. Plötzlich tat Brahms einen schnarchenden, tiefen Atemzug. Das Leben war wieder da, und nun atmete der Schnarchende heftig. Brahms erwachte, er war benommen, wusste nicht, wo und wer er war. Er hatte Furchtbares geträumt. Es gab eine entsetzliche Bedrohung, etwas Schwarzes in seinem Leben. Das Schnarchen war sein feind, der ihn nie wieder verlassen würde und der ihn immer intensiver bedrängte. Es mochte der Tod sein, oder es war der Teufel. Brahms atmete heftig, schon aber dämpfte die große Müdigkeit die Angst, legte sich über alles, erzeugte Benommenheit, und er hörte, als er wieder hinab in tiefere Sphären des Unterbewusstseins sank, sich andeutungsweise schnarchen. Schon aber näherte sich der Feind erneut. Während äußerlich schon alles alarmierend wieder deutlicher Reglosigkeit und Atemlosigkeit verfallen war, herrschte im Blut noch eine ausreichende Sauerstoffversorgung. Bald aber verfärbte sich der Komponist neuerlich, bald spürte das erschöpfte, von Müdigkeit und Anspannung gemarterte Gehirn das Nahen des schwarzen Feindes. Es drohte ihm auch während eines Traumes die Luft zu nehmen, legte sich als dichter Schleier über ihn. In diesem Augenblick erwachte Brahms neuerlich, schweißgebadet, sein Bett war zerwühlt, und er rang nach Luft. Würde er denn nie zur Ruhe kommen? Oft war es so, dass er eine Nacht lang zugebracht hatte mit dem Gefühl, kein Auge
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