Schnee an der Riviera
Genua die Fäden zieht. Bei den Drogen muss es sich um Kokain handeln. Herkunftsland Südamerika. Vielleicht. Meinst du, wir sollten schon mit Santangelo darüber reden?«
Gerolamo wurde vorsichtiger als ein Fuchs.
»Ich persönlich würde zunächst die Ergebnisse abwarten, bevor ich mit Santangelo spreche. Es ist besser, seiner Sache sicher zu sein. Ich ... bei dem ganzen Durcheinander bin ich noch nicht dazu gekommen, Ihnen etwas zu sagen.«
»Was denn, Gerolamo?«
»Aus Verona haben uns Nachrichten über Nino und Aldo erreicht. Sie sind keineswegs unschuldig, sondern aktenkundig wegen Drogenhandels, Kokain, in ihrem Lokal. Deswegen mussten sie schließen.«
»Und warum zum Teufel durften sie dann an der Riviera ein neues Lokal eröffnen, und ausgerechnet in Genua?«
»Aus irgendeinem merkwürdigen Grund sind diese Informationen, wie soll ich sagen ... verschwunden.«
»Soll das ein Witz sein? Verschwunden? Das ist doch nicht möglich, verdammt!«
»Doch, ist es. Sie schienen sauber zu sein und waren es nicht.«
Der Rat zur Vorsicht wurde also befolgt. Je weniger Leute innerhalb des Präsidiums davon wussten, umso besser. Wie hieß es noch? Ein Schelm, der Böses dabei denkt, aber ein schlauer Schelm. Sie durften nicht das Risiko eingehen, dass diese Informationen, für die jemand bereits getötet hatte und es sicher wieder tun würde, einfach verschwanden, ohne dass sie sie kannten. Und rund um das Anatra azzurra und ihre Betreiber waren schon eine Menge merkwürdiger Dinge passiert.
Nelly und Gerolamo saßen sich in Nellys Büro gegenüber und schwiegen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
»Wie locken wir sie aus der Reserve?«, fragte die Kommissarin plötzlich und hörte auf, mit den Fingern auf den Schreibtisch zu trommeln.
»Ich würde dem Anatra azzurra noch mal einen Besuch abstatten.«
»Das auf jeden Fall. Oder besser noch, wir laden sie vor, die beiden Gentlemen. In der Regel werden die Leute im Präsidium gesprächiger. Kümmere du dich inzwischen um den sogenannten Alfio Spaventa und lass dir die ballistischen Gutachten zu Capriles Waffe geben, sobald sie fertig sind. Ich fahre noch einmal bei den Pittalugas vorbei und treffe mich mit einer alten Freundin. Wir sprechen uns dann später wieder.«
ACHTER TAG
Nachmittag
Die äußere Welt hatte sich für Nelly in eine Zone des Zwielichts zurückgezogen. Der gewohnte Weg durch die Stadt war nur noch Kulisse, weit weg, gedämpft. All ihre Sinne waren darauf konzentriert, die neuen Informationen zu sortieren. Ihr Gehirn ratterte wie ein Computer bei der Datenverarbeitung, aber von einer Erleuchtung, sollte es die überhaupt geben, war sie noch weit entfernt. In der Nacht hatte sie geglaubt, alles klar zu sehen, doch bei Tageslicht betrachtet, schienen ihre Schlussfolgerungen nur eine Möglichkeit von vielen zu sein. Alles andere als definitiv und durch keinerlei Beweis gesichert. Sie setzte sich ins Tonitto auf der Piazza Dante, wohin ihre langsamen Schritte sie geführt hatten. Gehen und Nachdenken waren zwei Tätigkeiten, die sie gerne miteinander verband. Die Bar lag unter den Arkaden, an der Ecke zu der Straße, die zwischen den hohen Palazzi der Via Madre di Dio in der Erde verschwand, um auf der lichtüberfluteten Uferpromenade wieder herauszukommen oder bei der sopraelevata , der Hochstraße, die als Schnellstraße die Hafenfront in zwei Teile schnitt und mit der man in den Sechzigern gehofft hatte, das Problem des Durchgangsverkehrs von Ost nach West zu lösen. Alternd und ewig umkämpft, hatte die Hochstraße überlebt und verschandelte weiterhin die historischen Gebäude des Hafens.
Nelly hatte sich gerade an einem der kleinen Tische vor der Bar niedergelassen, als Sandra in einem unsäglichen Leopardenkostüm ankam, das Lichtjahre von ihrem üblichen Kleidungsstil entfernt war. Sie bemerkte den ungläubigen Blick der Freundin und sagte erklärend: »Ein Geschenk. Ich kann ja schlecht den Schenker enttäuschen!«
»Auf gar keinen Fall. Und darf ich den Namen des Schenkers erfahren?«
»So was von neugierig! Nummer elf, geht dich gar nichts an«, gab Sandra kokett zurück.
»Das sagt die Richtige ... hier spricht das Klatschblatt von Genua und Ligurien höchstpersönlich!«
»Pass nur auf, wenn du mich so behandelst, verrate ich dir gar nichts«, erwiderte die Journalistin.
»Soll ich in Tränen ausbrechen? Auf die Knie fallen?«
Nelly sah flehend zu ihrer Freundin auf.
»Um Himmels willen. Ich habe doch ein
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