Schnee an der Riviera
weiches Herz. Und, wie geht’s unserem Mau, alles in Ordnung?«
»Ja, zum Glück.«
»Das ist ja mal eine Neuigkeit, abgesehen davon, dass du«, und sie zitierte die Schlagzeile des Secolo XIX , »bei einem Schusswechsel einen ›Verdächtigen‹ getötet hast, der in der Villa einer bekannten Genueser Persönlichkeit das Feuer auf dich eröffnet hatte. Was war denn da nur los?«
»Genau das, was wir auf der Pressekonferenz mitgeteilt haben. Wir ermittelten in der Tragödie vom Klee und dem rätselhaften Verschwinden eines Mädchens aus prominenter Familie, um euch weiter zu zitieren. Wir fuhren zu der Villa besagter Familie, aus ungeklärten Gründen hat einer der Leibwächter das Feuer auf uns eröffnet, nachdem wir uns als Polizeibeamte zu erkennen gegeben hatten. In dem darauffolgenden Schusswechsel ...«
»... zog er den Kürzeren. Okay. Entweder sie waren taub, oder es steckt etwas anderes dahinter.«
»Das glauben wir auch. Aber so geht es aus den Zeugenaussagen hervor.«
»Und der Hausmeister vom Klee, dieser Caprile, hat er sich wirklich umgebracht vor lauter Gewissensbissen, Francesco Bagnasco erschossen zu haben? Wieso so plötzlich? War er der Autor des Briefes, den ich dir gezeigt habe?«
»Als wir ihn fanden, war er nicht mehr in der Lage, uns das zu sagen. Aber seinem Abschiedsbrief nach zu schließen, scheint wirklich er dir diese geheimnisvolle Botschaft vom ›Sohn des Gesetzes‹ und so weiter geschickt zu haben.«
Sandra stieß einen Pfiff aus.
»Gibt es denn gesicherte Anhaltspunkte, dass er Franci erschossen hat? Die Waffe?«
»Wird noch untersucht. Du hast es etwas zu eilig. Morgen wissen wir mehr. Und du wirst die Erste sein, die etwas erfährt, ich schwöre es.«
»Das will ich hoffen. Es scheint nicht gerade gesundheitsfördernd, in diesem Fall zu ermitteln. Sein Leben zu riskieren, ohne wenigstens die Exklusivrechte zu haben, scheint mir wenig professionell. Was nimmst du?«
»Zwei, nein, lieber drei Tramezzini; eins mit Thunfisch und Salat, zwei mit Krabben und Mayonnaise.«
Nelly konnte schon nicht mehr gerade gucken, so ausgehungert war sie. In den letzten Tagen hatte sie es nicht geschafft, eine einzige ordentliche Mahlzeit zu sich zu nehmen.
»Und dazu einen Tomatensaft mit Salz und Pfeffer und einen doppelten Espresso. Und du? Ich lad dich ein, also hau rein.«
»Einen Espresso macchiato, danke«, sagte Sandra mit würdevoller Miene. Doch auf den fragenden Blick der Freundin fügte sie hinzu:
»Der Kostümschenker hat mich zum Mittagessen in das Restaurant im Palazzo Ducale eingeladen. Ich habe mir gerade auf seine Kosten hemmungslos den Bauch vollgeschlagen.«
»Ach so, ich hab mich schon gewundert«, rutschte es Nelly heraus, woraufhin Sandra beleidigt dreinschaute.
»Willst du damit etwa andeuten, ich sei ein Vielfraß?«
»Aber nein, nur ein Schleckermaul. Aber um zum Punkt zu kommen: Deinen privaten Informationen zufolge, stecken die Pittalugas nicht mehr in finanziellen Schwierigkeiten, sondern sind absolut solvent. Alle beschwören sie die Stabilität ihres Unternehmens.«
»Also, dass es schlecht um sie stand, beruhte auf Gerüchten von vor einigen Jahren. Ich habe die Geschichte damals nicht besonders aufmerksam verfolgt, kannte sie nur vom Hörensagen. Keine Ahnung, ob was dran war. In den gutinformierten Kreisen hieß es jedenfalls so. Liquiditätsprobleme, außerdem der Börsengang kurz zuvor, die Kurse stiegen erst und stürzten dann ab, wie wir ja alle leider wissen. Sie hatten ihre Aktivitäten zu sehr diversifiziert, mit Hilfe von ein paar Ausländern Schiffe gekauft, was weiß ich, hier werden die Gerüchte sehr vage. Aber du hast ja die Mittel, um das zu überprüfen.«
Nelly nickte kurz. Vorausgesetzt, die Kollegen der Zoll- und Steuerfahndung zeigten sich kooperativ. Und waren schnell genug.
»Doch seit ein paar Jahren haben sie ganz diskret wieder Oberwasser bekommen. Vielleicht neue Partner, immer ist von diesen sogenannten multinationalen Amis die Rede, jedenfalls sieht alles sauber aus. Außer ...«
»Außer?«
»Nur Gerede. Gerüchte. Es gibt Schatten.«
»Was soll das denn heißen, Schatten?«
»Die Identität dieser Partner ist gewissermaßen geheimnisumwoben. Nicht einmal die Arbeitnehmervertretungen wissen viel darüber, obwohl sie Garantien verlangt hatten, als Entlassungen drohten. Aber da die Probleme ja überwunden schienen und unsere Finanzbeamten und die Polizei darüber wachen und die Euros wieder kräftig fließen, sogar
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