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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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später nie mehr gewesen war, Roberto, der glücklich lachend herbeisprang, um ihn vor dem Sturz aufzufangen. Robertos Leiche auf dem Tisch im Leichenschauhaus, sie, wie sie in dem leeren Haus an jenem ersten Abend Mau an sich presste, ihre Mutter, die nicht mehr aufhörte zu weinen, während sie selbst wie versteinert war. Wie verrücktspielende Blitze lösten sich die Visionen ab, Mau in den folgenden Jahren, sein erstes Fahrrad, das Clownskostüm an Karneval, im Zeltlager als Wölfling, später als Pfadfinder. Und Monica, so klein und so blond, viel blonder als heute, die an ihren Lippen hing.
    »Darf ich zum Abendessen bleiben, Nelly? Darf ich, ja?«
    Wann hatte sie aufgehört, so vertrauensselig, so unfassbar süß zu lachen? In welchem Alter hatten sich ihre hellen Augen von klaren Seen in unergründliche Brunnenschächte verwandelt? Sie sah ihre Mutter, die den drei Kindern Mau, Monica und Franci Brote schmierte, in ihrer alten Küche: Ohne ihre Hilfe hätte sie niemals weiterarbeiten können. Doch sie hatte es ihr nicht gedankt. Immer war sie abweisend gewesen, hart und verschlossen in ihrem Schmerz. Ihr Vater war damals schon tot. Dann sah sie ihre Mutter auf dem Sterbebett, unendlich traurig und fern. Nelly erschauerte. Sie löste sich gewaltsam vom Fenster und dem Bilderfluss, der sich ihrer bemächtigt hatte; dies war nicht der Moment, um Bilanz zu ziehen, sich in Erinnerungen zu ergehen oder Reue zu empfinden, es gab so viel zu tun. Die neusten Entwicklungen hatten Teile des Bildes erhellt, ohne etwas wirklich Entscheidendes für das Gesamtverständnis hervorzuheben: Das Ausgangspasswort war tatsächlich Miriam gewesen, doch wie bei chinesischen Schachteln zeigte sich auf dem Bildschirm nur eine neue endlose Reihe chiffrierter Daten. Kaum hatten sie ein Hindernis überwunden, und was für eins, standen sie schon vor dem nächsten. Bianchi hatte aufgegeben, um diesen Code zu entschlüsseln, brauchte es die Erfahrung einer Spezialabteilung, die sich in Rom befand. Und dorthin wurde der Inhalt des Mikrochips nun geschickt.
    »Valeria, komm doch bitte mal«, rief Nelly, im Rahmen der Tür stehend, die ihre Büros voneinander trennte.

NEUNTER TAG
Abend
     
    Im Wohnzimmer des Apartments in Nervi saßen ein angegrauter Herr, eine rothaarige Frau und ein schlaksiger Junge mit Dreadlocks schweigend beim Essen. Auf Außenstehende hätten sie wahrscheinlich wie eine ganz normale Familie gewirkt, die sich abends bei Tisch trifft. Schließlich verläuft die Kommunikation auch in vielen »normalen« Familien nicht besonders lebhaft. Doch hier war schnell klar, dass diese Familie nicht normal war, ganz zu schweigen von der Situation. Nelly war spät nach Hause gekommen, sie wirkte angespannt und bekümmert. Die beiden Männer hatten mit dem Essen auf sie gewartet, doch das schien ihre Stimmung nicht zu heben.
    »Ihr hättet ruhig schon anfangen können. Tut mir leid, dass ich nicht Bescheid gesagt habe, dass es später wird«, lautete ihr gleichgültiger Kommentar.
    Carlo und Mau wechselten einen verwunderten Blick. Ihr Verhältnis hatte sich mit den gemeinsam verbrachten Stunden allmählich gefestigt. Es entwickelte sich zu einer innigen Komplizenschaft, wie sie es vorher nicht gekannt hatten. Mau entdeckte, dass sich die Beziehung zu einem Mann auf einer völlig anderen Wellenlänge abspielte als die zwischen ihm und seiner Mutter. Und Carlo, den die versagt gebliebene Vaterschaft im Grunde seines Herzens immer noch schmerzte, erfreute sich am Kontakt mit dem witzigen und sensiblen Jungen, der ihm weder durch eine unterschwellige Konkurrenz noch durch sonstige emotionale Verwirrungen entfremdet wurde, wie es zwischen Vater und pubertierendem Sohn sonst häufig der Fall war. Sie waren schon beim Kaffee, als Nelly endlich das Schweigen brach.
    »Mau, unsere Ermittlungen haben heute eine neue Wendung genommen. Es ist nicht länger ratsam für dich hierzubleiben, morgen wirst du an einen geheimen Ort gebracht. Dort bleibst du, bis die Lage sich normalisiert hat.«
    »Normalisiert? Was zum Teufel soll das heißen? Mir geht’s prächtig hier und Carlo kümmert sich um mich, ich werde also ständig überwacht. Sag, was los ist, warum wollt ihr mich wegbringen? Hat es etwas mit Moni zu tun?«
    Mau war offensichtlich alarmiert. Auch Carlo wollte etwas einwenden, doch Nelly kam ihnen zuvor.
    »Es wird gemacht, wie ich sage, Mau. Und was Moni anbelangt, kann sein. Du weißt, dass sie in dieser Sache drinsteckt. Carlo kann

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