Schnee an der Riviera
interessante Dinge, zum Beispiel Tütchen mit Shit und Kokain.«
»Wo?«
Nelly und Carlo sahen ihn fragend an.
»Gut sichtbar auf dem Bett.«
»Ich habe den Eindruck, wir sind zehn Minuten zu spät gekommen«, flüsterte sie und dachte an den schwarzen Jeep.
»Glaubst du, das Arschloch oder die Arschlöcher in dem Geländewagen haben etwas mit der Sauerei hier zu tun?«, fragte Carlo, als habe er ihre Gedanken erraten.
»Gut möglich, dass sie Caprile aus dem Weg geräumt haben, oder sie haben ihn so gefunden und sind dann schnellstens abgehauen.«
»Das war übrigens ein Range Rover Baujahr ’89.«
Auch mit Autos kannte Carlo sich aus. Nelly warf ihm einen bewundernden Blick zu.
»Es könnte wirklich sein, dass der Mörder sich vor unserer Nase aus dem Staub gemacht hat ... Mal sehen, ob es irgendwo eine Botschaft gibt«, seufzte sie dann und sah sich um.
Es gab eine Botschaft. Sie lag auf dem Boden, halb unter der Leiche verborgen und blutverschmiert. Dort stand:
»Die Gier hat mich dazu getrieben, zu dealen und zu töten. Gott möge mir verzeihen. Ich kann es nicht. Giovanni Caprile.«
Getippt auf einem Computer, auch die Unterschrift.
»Und wo hat er den Computer? Findest du, das sieht hier nach einem Computer aus?«, fragte Gerolamo sofort.
Nelly wies mit dem Kinn auf ein Tischchen, das in einer Ecke des Wohnzimmers zur Hälfte in einem Regal verschwand. Darauf thronte ein ziemlich neuer Computer mit Drucker und Faxgerät. Gerolamo hob die Arme. Die modernen Kommunikationstechnologien hatten selbst die hintersten Winkel des Landes erreicht.
Nelly dachte an den Brief, den jemand Sandra bei der Zeitung hatte zukommen lassen: Ob der wohl von demselben Computer stammte? Vielleicht hatte der Hausmeister ihnen ja einen Hinweis geben wollen, aber worauf? Es klang fast wie eine Anklage gegen Mau und Monica, zumindest wie eine Anspielung, dass sie in die Sache verwickelt waren, von jemandem, der noch einiges mehr darüber wusste. Oder hatte er vielleicht nur Verwirrung stiften wollen, um den Verdacht von sich selbst abzulenken? Nelly beschloss, die beiden Nachrichten erkennungsdienstlich analysieren zu lassen, auch wenn es garantiert nicht leicht sein würde, mit Gewissheit zu sagen, ob sie von derselben Person oder zumindest aus demselben Gerät stammten. Computer waren nicht mehr die Schreibmaschinen von einst mit ihren jeweiligen Eigenheiten. Drucker schon eher. Manchmal konnten die Experten kleine Wunder bewirken.
Sie riefen in der Zentrale an, und während sie auf die Ankunft der Kollegen warteten, durchsuchten sie Haus und Garage. In der Garage stand ein brandneuer BMW, laut Fahrzeugpapieren zugelassen auf Giovanni Caprile, außerdem der bekannte alte Panda mit dem Kennzeichen des Tals.
Sie waren gerade wieder ins Haus zurückgekehrt, als es zaghaft klopfte. Mit der Waffe in der Hand, man konnte ja nie wissen, ging Gerolamo zur Tür und öffnete.
Die junge Frau riss erschrocken die Augen auf, als sie den Mann mit der Waffe sah. Sie fing an zu schreien und hörte nicht auf, bis Nelly sie endlich mit dem Wort »Polizei« ins Haus lotste und beruhigen konnte.
»Wie heißen Sie, Signora? Was führt Sie her?«, fragte sie dann ganz sanft, um sie nicht weiter aufzuregen.
»Ich ... ich heiße Emilietta Oliva, ich wohne unten im Dorf. Ich ... bin hin und wieder zum Putzen bei Gian, und zum Kochen. Seit seine Mutter gestorben ist, kommt er nicht so gut zurecht, ist ja klar, ein alleinstehender Mann, seine Schwestern wohnen in Genua und kommen selten zu Besuch ... Aber die Polizei, warum denn? Warum sind Sie hier? Es ist doch nichts passiert?«
»Er hat sich erschossen«, sagte Gerolamo trocken. Dann musste er das Mädchen stützen, das schwankte und zusammenzubrechen drohte. Nelly warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Er verzog nur das Gesicht und zuckte mit den Achseln. Die Putzgeschichte nahm er ihr nicht ab. Und die Reaktion der jungen Frau bestärkte ihn darin, dass ihre Beziehung zu dem Toten wesentlich inniger gewesen sein musste, als sie ihnen weismachen wollte.
»Du bist ein unverbesserlicher Macho, Gerolamo«, zischte Nelly ihm ärgerlich zu.
»Das stimmt nicht, Dottoressa«, verteidigte er sich schwach.
SECHSTER TAG
Nachmittag
Nun lag Emilietta in dem Liegestuhl vor dem Haus – sie hatten ihr nicht erlaubt, ihren Freund noch einmal zu sehen –, die Augen tränengefüllt. Sie erzählte. Von Gian, diesem lieben und guten Menschen, ihre Familien kannten sich schon ewig, er hatte
Weitere Kostenlose Bücher