Schnee an der Riviera
nie kapiert, ob sie von einem die Freundin war. Gutaussehendes Mädchen. Aber immer sehr reserviert. Sie kam manchmal in Begleitung des Boxers.«
»Was taten sie hier?«
»Was sollten sie schon groß machen, einen Ausflug, nehme ich an, die gute Luft genießen. Sie brachten Salami mit, Schafskäse und Saubohnen, auch mal eine pasqualina oder Ravioli. Ich habe sie vielleicht drei oder vier Mal gesehen. Aber es kamen auch andere, viele andere. Gian war so ...«
Beliebt. Klar. Nelly sah Gerolamo durch seine Sonnenbrille an, ihre Blicke trafen sich.
Nachdem sie Emilietta entlassen hatten und diese schnell zu den Hunden gelaufen war, kehrte Nelly in Gians Haus zurück und fand den Einsatzleiter der Spurensicherung im Wohnzimmer. Er machte ein zerknirschtes Gesicht, sein unangebrachter Scherz von vorhin tat ihm immer noch leid.
»Celsi, ich brauche unbedingt ein ballistisches Gutachten der Waffe, mit der Gian sich erschossen haben soll, und auch von den Jagdgewehren. Als Erstes aber will ich natürlich das Gewehr untersucht haben, das der Tote in der Hand hielt. Ich brauche einen Abgleich mit dem Projektil, das Franci Bagnasco getötet hat. Und zwar bis gestern.«
»Das dachte ich mir schon, Commissario. Ich bin selbst gespannt darauf.«
Doktor Bussi, deutlich jünger und weniger abgebrüht als Parodi, hatte noch nicht so viele Mordopfer gesehen wie sein Kollege. Er berührte den Leichnam vorsichtig, fast ehrfürchtig. Nelly fand ihn sympathisch.
»Selbstmord, Dottore?«
»Sieht wie ein typischer Selbstmord aus. Den Gewehrlauf hat er sich unter das Kinn gehalten, dann den Abzug gedrückt. Nach der genaueren Untersuchung des Leichnams und der Flugbahn der Kugel werden wir mehr wissen ... Der Todeszeitpunkt war wahrscheinlich heute Morgen. Aber der Kollege Nardini ist da durchaus qualifizierter als ich, er wird Ihnen zu allen Einzelheiten Genaueres sagen können.«
»Commissario, Commissario, mir ist noch etwas eingefallen. Entschuldigen Sie, aber, die Emi hat mir von dem Foto mit den Schülern erzählt. Die kannte ich auch, vom Sehen, sie haben mich immer ganz freundlich gegrüßt. Also, als Sie gerade im Haus waren, waren zwei von ihnen hier.«
Rosalba stand in der Tür und redete mit lauter, aufgeregter Stimme, während ein Beamter vergeblich versuchte, ihr den Eintritt zu verwehren.
»Was? Welche zwei?«
Nelly, Gerolamo und Carlo drehten sich gleichzeitig um und sahen sie an. Erschrocken wich die Frau einen Schritt zurück. Eingeschüchtert fuhr sie fort:
»Der Lange, ein bisschen pickelige, und die kleine Blonde, sie kamen in einem nagelneuen Mini, mein Traumauto. Sie haben zum Haus hochgeschaut, haben wahrscheinlich Ihr Auto gesehen, Commissario, und sind dann schnell wieder abgerauscht.«
»Wann?«, brachte Nelly heiser hervor.
»Vor ungefähr einer Stunde, bevor die anderen Polizisten kamen.«
»Wenn Sie sich an noch etwas erinnern, Rosalba, egal was, hier ist meine Handynummer. Geben Sie sie auch Ihrer Freundin Emilietta. Sie können mich jederzeit anrufen.«
Als die Frau wieder weg war, sah Gerolamo Nelly fest an.
»Sie waren also hier.«
»Und sind wieder gefahren, wahrscheinlich weil sie meinen Wagen gesehen haben.«
»Das war knapp. Wenn sie gekommen wären, als die mit dem Range Rover noch da waren ...«
»Ob sie Caprile vertrauten?«
»Vielleicht ... oder aber sie wussten, dass er Francesco Bagnasco ermordet hat, oder vermuteten es zumindest und wollten Räuber und Gendarm spielen, wer weiß. Das können sie uns nur selber sagen.«
Auf dem Rückweg redeten Nelly, Carlo und Gerolamo weiter über das unvermutete Auftauchen der beiden Teenager am Ort des Selbstmordes – oder Mordes? – und suchten nach Erklärungen. Sie hatten die Ankunft des stellvertretenden Staatsanwalts abgewartet, der sich vornehm jeglichen Kommentars à la Celsi enthalten hatte (um höchstwahrscheinlich etwas Ähnliches zu denken). Wenig später hatte man Capriles Leichnam hinausgetragen und ins San Martino gebracht.
»Schon wieder Arbeit für Nardini«, dachte Nelly düster. In der letzten Woche hatte er nicht gerade Däumchen gedreht. Eine weitere Leiche für ihn, und wieder eine Handvoll Luft für sie.
Waren Mau und Monica also wirklich wieder zusammen? Was hatten sie vor? Und wenn die Insassen des schwarzen Jeeps sie vor ihr finden würden? Vielleicht waren sie den zwei ahnungslosen Teenagern auf der Spur?
Der Mann mit den Narben musste Matteo Albini sein. Es galt also herauszufinden, ob er einen
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