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Schnee an der Riviera

Schnee an der Riviera

Titel: Schnee an der Riviera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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warf ihm einen prüfenden Blick zu. Es war klar, dass Gerolamo versuchte, sie zu trösten und zu beruhigen. Dass er sich in sie hineinversetzen konnte. Und das nervte sie und rührte sie zugleich.
     
    Die Straße, über die der Punto brauste, führte am Bisagno entlang und weiter in das frische Grün des Apennin. Sie fuhren linker Hand des Flusses, auf der neuen Superstrada. Nelly war schon mehrmals in dem Tal gewesen, auf der Suche nach Möbeln für die Wohnung, nach Kacheln fürs Bad oder einfach nach einer leckeren Trattoria, um mit Freunden zu Abend zu essen. Sie kannte sich ganz gut aus in der Gegend, doch nicht gut genug, um auf Anhieb I Balzi zu finden, das Dörfchen, wo Gian wohnte. Hinter dem Tunnel, der bei Bargagli rechts in Richtung Tal führt, erreichten sie Ferriere und fuhren eine Weile Richtung Sottocolle weiter. Irgendwann bogen sie in eine Seitenstraße ein, die sich links den Berg hinaufschlängelte, immer steiler, immer schmaler. Obwohl Nelly an die Straßen des ligurischen Hinterlands gewöhnt war und sicherheitshalber die Hupe betätigte, bevor sie um die Kurven fuhr, konnte sie doch ein paar Mal nur um Haaresbreite einem Panda oder einer klapprigen Ape ausweichen, die mitten auf dem engen Sträßchen heruntergeschossen kamen, ohne sich um den Gegenverkehr zu scheren und natürlich ohne warnend zu hupen. Am Steuer immer die typischen Alten der Gegend, die weder erschraken noch sich aufregten, sondern nur listig lächelten wie nach einer gewonnenen Wette oder einer erfolgreich absolvierten Geschicklichkeitsübung.
    »Heiliger Strohsack, das scheint hier so eine Art russisches Roulette zu sein.«
    Nelly war sauer. Dieser Sport war gar nicht nach ihrem Geschmack. Zumal sie auf der Außenspur fuhr, direkt am Abgrund, sie konnte also kaum nach rechts ausweichen, ohne einen Absturz zu riskieren. Die beiden Männer waren ganz in den Anblick der majestätischen, fast wilden Natur, der Kastanien- und Steineichenwälder mit ihrem dichten Unterholz vertieft, aus dem nachts die Dachse, Wildschweine und Füchse kamen, und schienen sich nicht weiter um die betagten Kamikaze-Fahrer zu sorgen.
    Hoch am Himmel flogen zwei Bussarde. Sie sahen aus wie im Tanz, leicht hielten sie ihre Flügel in den Wind und ließen sich von ihm treiben. Schweigend, elegant, konzentriert, jederzeit bereit, sich im Sturzflug auf die Beute zu werfen.
     
    Plötzlich kam ein schwarzer Geländewagen um die Kurve gerast. Ihr Hupen nutzte Nelly nichts: der Wagen streifte den Punto, und allein ihr geistesgegenwärtiges Lenkmanöver verhinderte, dass sie den Hang hinabstürzten, der in diesem Abschnitt besonders steil und von keiner Leitplanke begrenzt war. Ihre Schimpftiraden mischten sich mit Gerolamos sizilianischen Kraftausdrücken und Carlos anschaulichen Seemannsflüchen. Der Jeep setzte seine halsbrecherische Fahrt fort, als sei nichts gewesen, und hinterließ eine Staubwolke auf der schon längst nicht mehr geteerten Straße. Nelly hielt wenige Meter hinter der Kurve auf einem kleinen Platz, der ersten Haltemöglichkeit seit längerem.
    »Dieser Scheißkerl, Spinner, Wichser, zerbeult mir meine ganze Fahrertür! Und um ein Haar lägen wir jetzt zerschmettert da unten in der Tiefe! Gerolamo, hast du dir wenigstens das Kennzeichen gemerkt?«
    »Wie denn, zum Teufel? Ich konnte nicht mal fluchen, so schnell ging alles.«
    »Ganz zu schweigen von der Staubwolke ... Aber Zeit zum Fluchen hatten Sie, Assistente, das kann ich Ihnen versichern, auch wenn ich nur die Hälfte verstanden habe!«, sagte Carlo, der sich schnell von dem Schrecken erholt hatte.
    Nelly war ganz fahl im Gesicht vor Zorn und Angst. Ihre Beine zitterten, als sie ausstieg, um sich den Schaden an der Tür anzusehen. Ein breiter schwarzer Lackstreifen zog sich, vermischt mit dem Rot des Puntos und dem hellen Untergrund des Blechs, fast über die gesamte Wagenlänge.
    »Es ist wirklich ein Wunder, dass er uns nicht in den Abgrund befördert hat, ein wenig hatte er mich schon über den Rand gedrängt. Keine Ahnung, wie ich das Auto auf der Straße halten konnte.«
    »Das Haus. Da ist es«, unterbrach sie Gerolamo.
    Tatsächlich erstreckte sich hinter der Kurve rechts der Straße zuerst der kleine Schotterplatz und dann eine Wiese; die Straße selbst schlängelte sich weiter über eine Art Bergsattel in eine flach abfallende Ebene. Auf der Wiese stand, von einem Kirschbaum beschattet, ein weißes Bauernhaus samt Schuppen. Ein Panda neuesten Modells parkte vor dem

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