Schnee an der Riviera
hat, der sich bei ihm als Polizist ausgegeben und ihn bedroht hat. Höchstwahrscheinlich will er ihn umbringen, und Monica als unbequeme Zeugin gleich mit. Unsere Ankunft durchkreuzt ihren Plan, sie sind überrumpelt, schießen, fliehen. Ich erschieße Vennaro. Daraufhin setzt Matteo Albini alles auf die Karte der Unschuld und des Missverständnisses, seine Arbeitgeber glauben ihm nur zu gern und fragen nicht weiter; Mau und Monica Pittaluga werden immer lästiger, vor allem sie, weil sie von Miriam die Wahrheit erfahren will und droht, mit dem, was sie weiß, zur Polizei zu gehen. Miriam informiert Albini, die beiden beschließen, sie und Maurizio aus dem Weg zu räumen, außerdem haben sie noch die vage Hoffnung, dass die zwei Jugendlichen das verfluchte Ding haben und es unter Todesandrohung rausrücken. Albini entführt Monica, Miriam lockt Mau in die Falle, alles Übrige ist Hollywood-Action pur und allgemein bekannt. Himmel, war das eine Aufregung, Tano! Du warst ja dabei, im Hubschrauber! Weißt du, als ich Mau da unten auf dem Boden des Bootes liegen sah, dachte ich einen Moment lang, wenn sie ihn erschießen, bringe ich mich um, ich schwöre es, das habe ich gedacht. Und jetzt gibt es eine ganze Schiffsladung Tote, ein Mädchen, das sich vielleicht nie wieder erholt, auf nichts reagiert, nur ins Leere starrt, ihre verzweifelte Mutter und mein Leben, das auch den Bach runter ist. Aber es freut mich, dass der Polizeipräsident mit dem Verlauf der Dinge zufrieden ist.«
Tano Esposito ist einen Moment still.
»Verdammt, wenn wir doch wenigstens endlich wüssten, was sich auf diesem Mikrochip befindet! Wenn das ganze Gemetzel wenigstens einen Sinn ergäbe! Wenn wir an die Organisation herankämen!«, ruft er schließlich zornig aus und wirft sich voll Unmut in seinem Bürostuhl zurück.
Nelly seufzt, mit Schaudern erinnert sie sich an den Albtraum, in dem sie die Gefahr hautnah spüren konnte, ihre Augen aber wie versiegelt waren. Umgeben von Nebelschwaden, ein Gewicht, das schwer auf ihr lastete. Sie setzt sich entschlossen auf.
»Also, das Schlimmste konnten wir immerhin verhindern. Alle wissen von dem Mikrochip, den wir haben, mein Sohn ist außer Gefahr, er kann sein normales Leben wieder aufnehmen, zumindest äußerlich. Was die seelischen Nachwirkungen anbelangt ... da vertraue ich auf die Zeit, die bekanntlich alle Wunden heilt. Auch Fatima ist nicht länger in Gefahr; sie erholt sich langsam, zur Zeit hält sie sich mit ihrer Tochter an einem sicheren Ort auf, ich glaube, sie wird es schaffen. Sie ist eine starke Frau.«
»Gibt es Neuigkeiten von den Pittalugas? Von Monica?«
»Nein. Seit Ende der Ermittlungen habe ich nichts mehr von ihnen gehört.«
»Glaubst du, sie und Mau ...«
»Ich weiß es nicht, Tano, ich weiß es wirklich nicht. Momentan zeichnet mein Sohn lauter verrückte Dinge, bedröhnt sich mit voll aufgedrehter Musik, raucht und starrt ins Leere. Nach ihrer Aussage und den Befragungen ist Monica verschwunden. Auch telefonisch ist sie nicht zu erreichen, die Familie lässt keinen Anruf durch. Das ist alles.«
»Wenn es was Neues gibt, sage ich dir Bescheid, Nelly. Nimm dir ein paar Tage frei, los. Du hast sie dir verdient und kannst sie, glaube ich, wirklich gebrauchen.«
»Danke. Ich denke darüber nach. Ich lasse dich auch wissen, wenn etwas passiert. Aber ich hoffe sehr, dass nichts mehr passiert, zumindest für eine Weile.«
Nelly steht auf, Tano tut es ihr gleich und begleitet sie zur Tür.
Genau zu dem Zeitpunkt, als Nelly das Polizeipräsidium verlässt, es ist Abend und schon dunkel draußen, geht ein heftiges Unwetter nieder, ein klassisches Frühlingsgewitter, lang ersehnt von den durstigen Feldern. Soll sie ins Büro zurück? Sich von Nicola einen Schirm ausleihen?
»Egal«, denkt sie und läuft schnell durch den Wolkenbruch. Die Gewalt der Elemente hat eine wohltuende Wirkung auf sie, beruhigt sie. Als sie gerade bis auf die Knochen durchnässt die Piazza della Vittoria überqueren will, taucht plötzlich Carlo auf seiner alten BMW vor ihr auf.
»Steig auf, Nelly, bitte.«
Einen Moment lang verharrt sie unentschlossen, dann steigt sie auf und klammert sich an seinen Rücken. Es ist ein Höllenritt durch dichten Verkehr und strömenden, windgepeitschten Regen. Schweigend und für die Straßenverhältnisse zu schnell schlängeln sie sich im Zickzackkurs zwischen den Autos hindurch Richtung Nervi. Zum Glück ist die feuchte und drückende Schwüle der letzten Tage
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