Schnee an der Riviera
Sie dafür, dass er überwacht wird. Noch eins, Nelly. Ich möchte persönlich Ihren Sohn Maurizio befragen.«
»In Ordnung. Fahren wir ins Krankenhaus. Er kommt heute um die Mittagszeit raus, ich hole ihn ab.«
»Haben Sie schon überlegt, wie Sie ihn schützen wollen? Vor ihm selbst und anderen, versteht sich. Arme Veronica!«
»Ein Freund wird sich um ihn kümmern.«
»Er muss sich aber zur Verfügung halten. Die Peroni wäre jederzeit bereit, seine Bewachung zu übernehmen. Sie sagt, es war ihre Schuld, dass er abgehauen ist, noch einmal wird ihr das nicht passieren.«
»Das glaube ich ihr gerne. Aber warten wir erst einmal ab, ob es wirklich nötig ist«, erwiderte Nelly.
»Für Ihren Sohn könnte die Sache gefährlich werden. Sehr sogar«, erwiderte Esposito und musterte sie mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck.
»Ich weiß. Aber was hilft’s? Die Gefahren werden nicht weniger, wenn wir nichts unternehmen. Das haben wir in den letzten Tagen ja gesehen.«
Wenn sie sich ereiferte, wurde Nelly fast schön. Nun war es an dem Polizeivize, sie neugierig und überrascht zu betrachten. Bis dahin war sie für ihn eine nette, nicht mehr ganz junge Frau gewesen, mit der man gut zusammenarbeiten konnte. Plötzlich merkte er, dass sie auch in dem Sinne eine Frau war, den er normalerweise diesem Wort zumaß.
Lang und gebeugt, die Rastazöpfe zerzauster denn je und die Hose zerrissen, saß Maurizio fertig angezogen auf seinem Bett in dem schmucklosen, irgendwie trostlosen kleinen Krankenzimmer und wartete. Neben dem Fenster saß Carlo schweigend auf einem Stuhl und wartete ebenfalls. Der Wachpolizist vor der Tür las wie immer die Gazzetta dello Sport . Er erhob sich, um Nelly und den stellvertretenden Polizeipräsidenten zu begrüßen.
»Alles in Ordnung, Dottore. Dottoressa Rosso.«
Mau und Carlo sahen fragend den elegant gekleideten Mann an, der mit Maus Mutter den Raum betrat. Espositos tabakfarbener Anzug saß wie angegossen, und das himmelblaue Hemd betonte seine Bräune. Mau dachte kurz:
»Mit einem wie dem hätte Carlo eine harte Konkurrenz.«
Denn wie gesagt, Gaetano sah nicht nur gut aus, und selbst Mau, der Männern normalerweise wenig Beachtung schenkte, entging nicht sein kluger und entschlossener Blick. Dem man nur schwer entkam.
Auch Carlo hatte instinktiv den möglichen Rivalen erkannt und eine spontane Abneigung gegen den gepflegten und attraktiven Mann empfunden. Sogar Nelly fiel das auf. Schnell stellte sie die Männer einander vor, dann wandte sich der Polizeivize an Mau.
»Da haben wir also unseren jungen Detektiv. Wir treten in die mütterlichen und väterlichen Spuren, wie es scheint.«
Es war keine Ironie, die in Espositos Worten mitschwang, fast eher ein wenig Bewunderung.
»Aber Ermittlungen dieser Art bergen schwer kalkulierbare Risiken«, fuhr er dann fort.
»Das habe ich gemerkt. Auch mein Freund Franci hat das gemerkt, leider zu spät«, erwiderte Mau ohne aggressiven Unterton.
Nelly beobachtete verwundert, wie sich zwischen den beiden eine instinktive Sympathie entspann. Sie waren auf derselben Wellenlänge, sie kommunizierten ohne Schwierigkeiten.
»Du hast sicher gehört, was Matteo und deine Freundin gestern ausgesagt haben. Hier ist das Protokoll ihrer Zeugenbefragung. Ich möchte, dass du es aufmerksam durchliest und alles unterstreichst, was nicht zu deiner Sicht der Dinge passt. Dann will ich, dass du mir noch einmal erzählst, was passiert ist. Auch wenn du es schon deiner Mutter erzählt und schriftlich ausgesagt hast.«
Mau begann gleich konzentriert zu lesen. Hin und wieder machte er am Rand ein Zeichen oder unterstrich ein Wort. Dann brach es aus ihm heraus:
»Das ist der Wahnsinn. Hier steht mehr oder weniger das, was passiert ist, aber aus einer völlig anderen Perspektive betrachtet. Vom Mond aus oder so. Es passt nicht zur Atmosphäre des Ganzen, das ist es. Vor allem von dem Zeitpunkt an, als Monica und ich die Villa Caterina erreichten. Also, wie gesagt, Matteo und dieser andere Wichser waren schon da. Mir kam es so vor, ich weiß nicht, als hätten sie auf uns gewartet. Keine Ahnung wieso. Oder doch, sie waren nicht überrascht, uns zu sehen, das ist es. Sie haben uns begrüßt, als ob nichts wäre. Auch Monica wirkte nicht erstaunt oder verärgert. Sie hat gesagt: ›Ciao, Matteo. Das hätte ich wissen müssen, dass du hier bist.‹
Den anderen hat sie ignoriert. Aber ich habe ihn erkannt und ihr ins Ohr geflüstert: ›Scheiße, Moni, das ist
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