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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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schreiben und lesen kann.«
    Walter Freiberg hatte es nicht so gern, wenn sein verflogener Traum vom Beruf im Lehramt vor anderen breitgetreten wurde.
    »Lupus, halt die Klappe«, sagte er kurz. »Die Zeiten sind vorüber, und ich weine ihnen nicht mehr nach.«
    »Was denn – ein Studierter?« faßte der um die Steuerzahler besorgte Kegelbruder nach. »Und dann…«
    »Kommissar Freiberg ans Telefon. – Anruf vom Präsidium«, rief der Wirt über die Köpfe hinweg. Freiberg war für die Unterbrechung dankbar.
    Lupus fluchte: »Mist verdammter; ich ahne Böses, wenn die uns um Mitternacht im ›Kornschuppen‹ auftreiben.«
    »Aber ihr habt einen interessanten Beruf«, stellte ein anderer fest.
    »Das erkläre mal meiner Frau«, erwiderte Lupus und zahlte die kleine Zeche für seinen Kommissar gleich mit.
    Eine Minute später stand Freiberg in der Tür. Er hatte die Rechte zur Faust geballt und hielt den Daumen hoch; dann drehte er wie ein Cäsar in der Arena die Hand nach unten. Lupus kannte das Zeichen, stand auf und ging zu seinem Chef.
    »Du kannst dich zu Hause abmelden. – Tote Frau auf dem Venusberg«, informierte Freiberg kurz. »Der Aufmarsch hat schon begonnen; wir sollen uns beeilen.«
    »Aber mit Helga sprichst du. Die wird ziemlich unwirsch, wenn sie allein im Bett nicht warm werden kann.« Lupus zog seinen Chef in die Telefonnische und wählte die häusliche Rufnummer. Seine Frau meldete sich schon nach dem zweiten Rufton. Lupus versuchte seiner Stimme Kreide unterzulegen: »Liebes, mit schneller Heimkehr wird es heute nichts. Wir sind im Einsatz.«
    Freiberg konnte die Antwort nicht verstehen, doch das verkniffene Gesicht seines Kollegen sprach Bände. »Nun sei doch nicht gleich so giftig, Helga. Der Chef kann dir das vielleicht besser erklären als ich.« Schwupp, hatte Freiberg den Hörer in der Hand. Er warb mit wohlgesetzten Worten um Verständnis. Die Pflicht sei leider wieder einmal stärker als der Wunsch, nach Hause zu kommen. Unvermittelt dröhnte vom Stammtisch lautes Lachen herüber.
    »So ist das also«, kam es spitz über den Draht. »Eure Einsatzgeräusche sind ja nicht zu überhören. Na, dann tut mal weiterhin eure Pflicht im Doppelkorn-Schuppen.« Klick – und das Gespräch war zu Ende. Freiberg hängte den Hörer ein und hob die Schultern. Lupus seufzte: »Haussegen im Eimer; drei Tage verschärfter Liebesentzug. – Komm, gehen wir.«
     
     
    Die Ankunft eines roten Golf, gefolgt von einem klapprigen Deux-Chevaux, auf dem Venusberg ließ nicht vermuten, daß die Bonner Kripo ein paar ihrer besten Leute im Einsatz hatte. Als erster wurde Hauptkommissar Freiberg von einem Beamten daran gehindert, auf dem Waldweg weiterzufahren. Kriminalhauptmeister Müller hatte an diesem Kegelabend das Auto seiner studierenden Tochter benutzen dürfen. Er hielt hinter dem Golf und ließ sich dabei auch nicht von den wütenden Handzeichen und Anweisungen des Streifenbeamten beeindrucken. Er stieg aus, legte gönnerhaft die Hand zum Gruß an die nicht vorhandene Kopfbedeckung. »Bitte, Herr Polizist: Kriminalhauptkommissar Freiberg, Chef der ersten Mordkommission auf Golf, und Kriminalhauptmeister Müller auf Ente, melden sich ungern zum Dienst. – Nun gib mal den Weg frei, Kumpel.« Der Streifenbeamte schüttelte den Kopf, trat beiseite und schwieg.
    Obermeister Dettel von UNI 11/16 stand in der Nähe des Denkmals und begrüßte die ihm bekannten Kollegen aus dem Präsidium. Er winkte Ulrich Steiner und Verena herbei. »Die beiden Studenten haben die Tote hinter dem Kaiser-Wilhelm-Stein gefunden, ziemlich genau um Mitternacht.«
    Freibergs Gruß war ein kurzes Kopfnicken. »Haben Sie irgendwelche Beobachtungen gemacht?«
    »Wir haben keinen Menschen gesehen«, erklärte Ulrich.
    »Auch vorher nicht, weder auf dem Hauweg noch am Abgang zur Rosenburg«, fügte Verena hinzu.
    »Haben Sie Ihre Personalien schon angegeben?« fragte Freiberg.
    »Alles erfaßt«, erklärte Dettel.
    »In Ordnung; dann ist das für Sie hier erledigt. Ich möchte mich morgen – nein heute, der neue Tag ist ja schon angebrochen – mit Ihnen im Präsidium unterhalten. Sagen wir um elf. Läßt sich das machen?«
    Ulrich und Verena nickten; sie hatten das Herumstehen satt.
    »So, das wär’s dann. Bis elf Uhr also. Gute Nacht.«
    In des Kaisers Umgebung sah es inzwischen so aus, als würde der Sedanstag gefeiert. Der Erkennungsdienst hatte Breitstrahler und Lichtgiraffen aufgestellt, um den Fundort der Leiche auszuleuchten.

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