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Schnee Im Regierungsviertel

Titel: Schnee Im Regierungsviertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg R. Kristan
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Aufgabe: »Wir suchen nach persönlichen Gegenständen einer Toten, die am Kaiser-Wilhelm-Stein gefunden worden ist. Vor allem suchen wir nach Fixerutensilien, Armmanschetten, Injektionsspritze und was noch dazugehören mag. – Der erste Zug geht in einer Breite von vier bis fünf Metern rechts und links die Wegränder ab. Die Züge zwei und drei kämmen das Parkgelände bis zum Sportplatz durch. Keine unnötige Hast; alles äußerst gründlich, wenn ich bitten darf.«
    Es war nicht der erste Einsatz dieser Art für die Hundertschaft, und die Stimmung war gut, denn man lief nicht Gefahr, sich mit Randalierern herumprügeln zu müssen. Schnell hatten die Männer Aufstellung genommen und die Aktion begann.
    Inzwischen versuchten auch Nachtschwärmer und Neugierige zum Ort des Geschehens vorzudringen. Durch die Weitergabe der Gerüchte von Mund zu Mund hatte sich der Fall zu einem veritablen Sexualverbrechen mit Raub und bestialischem Mord ausgewachsen. Die beiden Beamten, die mit rot-weißen Bändern den Weg zum Panorama-Hotel abgesperrt hielten, mußten alle Künste aufbieten, um eine lärmende und angeheiterte Gruppe modisch gekleideter junger Leute am Vordringen zum Denkmal zu hindern.
    Die Vertreter der Schickeria wollten sich dieses Happening nicht entgehen lassen. Den Streifenbeamten klang es laut entgegen: »Wir wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wieder haben – aber den mit ‘m Bart, aber den mit ‘m Bart.« Wen beeindruckte es schon, daß dort hundert Meter weiter eine junge Frau vor ein paar Stunden den Tod gefunden hatte? Es war ja wohl nicht anzunehmen, daß sie zum Panorama-Clan gehörte.
    Lupus, der selbst gern ein Liedchen sang, hatte für diese Art Totenfeier kein Verständnis; er kochte vor Wut. Schnell schob er den Fahrer von Uni 11/16hinter das Steuer und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. »Los, Meinhard, halt mal drauf zu. Wir werden diese betrunkene Mischpoke zum Teufel jagen. Hier ist ein Mensch gestorben, und die grölen durch die Nacht, als gelte es einen Kometen zu feiern.«
    Uni 11/16 fuhr mit aufgeblendeten Scheinwerfern auf die Gruppe zu. Kurz, aber eindringlich heulte das Martinshorn auf und ließ die Sänger verstummen. Über den Lautsprecher kam die Anweisung: »Bitte verlassen Sie sofort das Gelände. Sie behindern die Arbeit der Polizei.« – Niemand ging. Bedrohlich verstärkt durch den Lautsprecher setzte Lupus nach einer kurzen Pause hinzu: »Sie verschwinden jetzt sofort, oder ich lasse räumen!«
    Gejohle brandete neu auf; aber dann trollten sich die Prachtexemplare der Jeunesse dorée.
    »Das sind Zeitgenossen«, fluchte Lupus. »Die möchte ich mal von einer Hundertschaft durchprügeln lassen.«
    »Na, du bist mir ja ein ziemlich rabiater Vertreter der Ordnungsmacht«, stellte Meinhard fest. »Aber das ist nicht neu für uns.«
    »Ist doch wahr«, knurrte Lupus.
     
     
    Im Parkgelände bewegten sich die Männer der Hundertschaft mit ihren Lampen wie bei einer Mitternachtsprozession. Mit wachsender Entfernung vom Ausgangsort wurden die Raschelgeräusche vom Auseinanderdrücken der Büsche und die Zurufe leiser. Ein paar belanglose Funde wurden über Funk gemeldet: ein verrostetes Kinderfahrrad, ein zerfledderter Regenschirm. Nach einer knappen Viertelstunde erhielt der Hundertschaftsführer die Meldung: »Achtung! Fund einer Damenstofftasche im Buschwerk kurz vor der Straße östlich des Senderkomplexes.«
    »Liegenlassen – der Erkennungsdienst kommt. – Zwei Mann bleiben an Ort und Stelle. Die Suche geht weiter«, kam die Anweisung über Sprechfunk durch.
    Auch Kommissar Freiberg hatte mitgehört. »Bitte, alle Funde hierher zum Denkmal. Vielleicht haben wir Glück.«
    Zwei Mann von der Spurensicherung und der Fotograf machten sich auf den Weg.
    Lupus war zurückgekommen und meldete die erfolgreiche Auflösung des Sängerbundes.
    »Ich hab’s gehört«, bestätigte Freiberg und lächelte. »Deinen höflichen Aufforderungen kann niemand widerstehen. – Woher kamen die Sänger?«
    »Vom Panorama-Hotel. Schickeria-Typen mit Geld und einige ›Pseudos‹ treffen sich dort. Da dürften wohl andere Karossen gefragt sein als dein Golf. Mit dem alten R4 hättest du noch Eindruck gemacht.«
    »Pseudos?«
    »Nun, die Möchtegerns, Schnorrer und Pumper, manchmal auch Studenten, die nicht so knapp bei Kasse sind wie die BaFöG-Empfänger – aber auch Gutbetuchte und attraktive Wesen weiblichen Geschlechts«, erläuterte Lupus.
    »Du kennst dich ja gut aus in Bonns halbseidenem

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