Schneeflockenbaum (epub)
der an Klang und Gestank alles übertraf, was mir bis dahin entfahren war. Splunter wurde leichenblass, sank auf seinen Stuhl, zog ein rotbuntes Taschentuch hervor und hielt es schützend vor sein Gesicht. Meine Klassenkameraden erhoben sich aus ihren Bänken und brüllten wie gefolterte Gibbons. Auch später hat Splunter mir bei Geruchsbelästigungen noch oft gedroht, er werde »sämtliche Psalmen« auf meinen Rippen klimpern. Meist blieb es jedoch bei der Drohung.
Dass meine Mutter mich so nachdrücklich an ihre frühe Warnung vor Jouri erinnert hatte, behagte mir nicht. Ich rief sie an.
»Schlump am Apparat«, sagte sie aufgeweckt.
Verdammich, dachte ich, hat sie etwa vor, diesen Namen weiterhin zu führen? Sie ist doch jetzt Witwe? Sie könnte doch wieder den Familiennamen meines Vaters annehmen? Oder ihren Mädchennamen? Das würde ich sogar begrüßen. Aber Schlump? Allein schon der Name!
Ich widerstand der Versuchung, den Hörer wortlos wieder aufzulegen, und fragte einfach: »Na? Wie geht’s?«
»Oh, du bist’s! Ach, es geht alles seinen Gang. Manchmal bin ich ein bisschen schlapp, aber dann lege ich mich kurz hin und bin fix wieder auf dem Damm. Siems älteste Tochter war hier und hat ein paar Sachen abgeholt. Das Teeservice wollte sie auch mitnehmen. Das habe seinerzeit ihre Mutter mit in die Ehe gebracht. Ich hab zu ihr gesagt: ›Kind, daraus haben dein Vater und ich so oft zusammen getrunken, das kann ich wirklich nicht so einfach hergeben.‹«
»Du hast also immer noch die Schränke voll Porzellan?«
»Findest du, ich hätte ihr das Service geben sollen?«
»Natürlich! Weg damit, um deine eigenen Worte zu gebrauchen. Erstens ist es hässlich, und zweitens steht das Service in Zukunft zwischen dir und Geertje.«
Wir stritten eine Weile über dieses Problem, bis ich unvermittelt brummte: »Neulich hast du gesagt, du habest mich bereits vor Jouri gewarnt, als ich noch im Kindergarten war. Ich habe darüber noch einmal nachgedacht. Weißt du, wie das mit Jouri und mir war? Sowohl im Kindergarten wie auch später in der Schule wurde all seinen Klassenkameraden zu Hause eingeschärft, dass sie unter gar keinen Umständen etwas mit Jouri zu tun haben durften, und mit mir wollte keiner etwas zu tun haben, weil ich Blähungen hatte, und darum klammerten Jouri und ich uns wie zwei Koalabären aneinander fest.«
»Ach ja, diese Blähungen! Ich erinnere mich noch genau, du warst damals seit drei oder vier Monaten im Kindergarten, da sprach mich die Direktorin ... wie hieß sie noch gleich ...
»Fräulein Lub.«
»Genau, Fräulein Lub, die war’s, also, die sprach mich in der Hoekerdwaarsstraat an und sagte: ›Frau Schlump ...
»Das hat sie bestimmt nicht gesagt«, fiel ich ihr bissig ins Wort, »damals warst du noch nicht mit Siem verheiratet.«
»Was spielt das für eine Rolle?«, sagte meine Mutter beleidigt. »Fräulein Lub sprach mich an und sagte: ›Ihr Sohn, muss der nicht mal zum Arzt?‹
›Wieso?‹, fragte ich.
›Der arme Kerl rennt den ganzen Tag.‹
›Dann sagen Sie ihm, dass er sitzen bleiben soll.‹
›Nein, nein, so meine ich das nicht. Er hat ... wie soll ich es schicklich ausdrücken ... Blähungen, Durchfall, Diarrhö, das ist zu Hause doch bestimmt auch so?‹
›Alles, was man oben reinstopft, kommt umgehend unten wieder raus.‹
›Ja, aber das ist doch nicht normal? Darüber muss man doch mal mit einem Arzt reden!‹«
Meine Mutter schwieg einen Moment lang, dann fuhr sie fort: »Als du später zur Schule gingst, sprach der Oberlehrer mich auch darauf an. ›Sie sollten mit dem Jungen lieber mal zum Arzt gehen.‹ Tja, dein Oberlehrer, der stand plötzlich vor mir, an einem freien Mittwochnachmittag, du warst im Polder, bei deinem Schlamm und deinen Rückenschwimmern, ich hab dir lieber nichts davon gesagt, als du abends völlig verdreckt nach Hause gekommen bist ... Der Oberlehrer fragte: ›Gute Frau, was geben Sie dem Jungen bloß zu essen? Man könnte meinen, er bekäme jeden Tag braune Bohnen mit Sirup vorgesetzt. So wie er im Unterricht herumpupst, es ist schrecklich, seinen Mitschülern wird jedes Mal ganz schlecht, sodass sie bei der schriftlichen Division als solcher lauter Fehler machen. Es muss wirklich etwas geschehen, der Zustand als solcher ist unhaltbar, und wir können doch wirklich nicht all die armen Wichte als solche mit Gasmasken ausrüsten, bloß weil ein Bürschchen den ganzen Tag furzt wie ein Waldesel.‹«
Meine Mutter holte kurz
Weitere Kostenlose Bücher