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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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die sich bis zu dem dichten, dunklen Wald erstreckten. Er fragte sich, was Ottersen einzäunen wollte. Oder aussperren. Denn er hatte es bemerkt: In Rolf Ottersens Augen glänzte die Angst.
    Harry machte eine Kopfbewegung in Richtung Wohnzimmer.
    “Besuch von … ” Sein klingelndes Handy unterbrach ihn.
    Es war Skarre.
    “Wir haben einen Neuen gefunden”, verkündete er.
    Harry starrte zum Wald und spürte, wie die dicken Schneeflocken auf seiner Wange und seiner Stirn schmolzen.
    “Wie - >einen Neuen    “Einen neuen Schneemann.”
     
    Psychologin Kjersti Redsmoen fand Kriminaloberkommissar Knut Müller-Nilsen, als dieser gerade in Begleitung von Espen Lepsvik sein Büro verlassen wollte.
    “Katrine Bratt hat geredet”, teilte sie den beiden mit. “Und ich glaube, Sie sollten in die Klinik kommen und sich selbst anhören, was sie zu sagen hat.”

KAPITEL 32
    21. Tag. Wannen
    Skarre stapfte vor Harry durch die Spuren im Schnee, die zwischen den Bäumen hindurchführten. Die früh hereinbrechende Dunkelheit ließ keinen Zweifel daran, dass der richtige Winter schon vor der Tür stand. Über ihnen blinkten die Lichter des Tryvannturmes und unter ihnen Oslo. Harry war direkt von Sollihogda herübergefahren und hatte sein Auto auf dem großen, leeren Parkplatz abgestellt, auf dem jedes Jahr im Frühling die berüchtigten Abifeiern ihren Anfang nahmen. Harry selbst hatte diesen Abschnitt seines Lebens bloß mit zwei grölenden Kameraden beschlossen, Bruce Springsteen und “Independence Day” im Ghettoblaster auf dem Dach des alten Kriegsbunkers in Nordstrand.
    “Ein Wanderer hat ihn gefunden”, erklärte Skarre.
    “Und warum hat der das der Polizei gemeldet? Ein Schneemann im Wald ist doch an sich nichts Besonderes.”
    “Er hatte einen Hund dabei. Und der hat … Na ja, du wirst schon sehen.”
    Sie kamen in offeneres Gelände. Ein junger Mann richtete sich auf, als er Harry und Skarre bemerkte.
    “Thomas Helle, von der Vermisstenstelle”, stellte er sich vor. “Gut, dass Sie hier sind, Hole.”
    Harry sah den jungen Beamten überrascht an, erkannte aber, dass er es ernst meinte.
    Dann erblickte er die Kollegen der Spurensicherung oben auf der Anhöhe und machte einen großen Schritt über das orangefarbene Absperrband, während Skarre darunter hindurchkroch. Ein Pfad markierte, wo sie entlanglaufen mussten, um keine weiteren Spuren zu zerstören. Als die Kriminaltechniker Harry und Skarre bemerkten, traten sie schweigend zur Seite und beobachteten die Neuankömmlinge. Als warteten sie gespannt auf ihre Reaktion.
    “Verdammt”, rief Skarre und wich einen Schritt zurück. Harry spürte, wie sein Kopf plötzlich vor Kälte erstarrte, als wäre ihm alles Blut aus dem Gehirn gewichen und hätte eine taube, tote Leere zurückgelassen.
    Es waren nicht die Details, denn auf den ersten Blick schien die nackte Frau nicht mal sonderlich übel zugerichtet. Nicht wie Sylvia Ottersen oder Gert Rafto. Was ihn so erschütterte, war das Konstruierte, das Gestellte, Kaltblütige des ganzen Arrangements. Die Leiche saß auf zwei großen Schneekugeln, die übereinander an einem Baumstamm lehnten, wie ein unvollendeter Schneemann. Auch der Körper der Frau lehnte am Stamm. Ihr Kopf war mit einem Stahldraht, der sich wie eine perfekte Lassoschlinge um ihren Hals legte, an dem dicken Ast über ihr befestigt, so dass er nicht wegkippen konnte. Die Arme hatte man ihr hinter dem Rücken gefesselt. Augen und Mund der Toten waren geschlossen und verliehen dem Gesicht einen friedlichen Ausdruck, fast als würde sie schlafen.
    Auf den ersten Blick hatte man den Eindruck, der Leichnam sei sorgsam behandelt worden. Bis man die Stiche auf der blassen, nackten Haut entdeckte. Die Wundränder lagen unter der fast unsichtbaren Nähseide dicht aneinander, nur getrennt von einer feinen, ebenmäßigen Fuge schwarzen Blutes. Eine Naht zog sich quer über den Bauch unter den Brüsten entlang. Die andere lief einmal um den Hals herum. Perfekte Arbeit, dachte Harry. Kein falscher Stich, keine Unebenheiten.
    “Sieht aus wie dieser abstrakte Kunstscheiß”, kommentierte Skarre. “Wie nennt man das noch?”
    “Installation”, antwortete eine Stimme hinter ihnen.
    Harry legte den Kopf auf die Seite. Sie hatten recht. Aber irgendetwas widersprach dem Eindruck makelloser Chirurgie.
    “Er hat sie in Stücke geschnitten”, stellte er fest, und seine Stimme klang, als hielte

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