Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet
zusammenzufassen: »Na, das war ja heute alles überschaubar, nicht wirklich was Spektakuläres dabei.«
Ist es nach meiner Bemerkung zufällig ruhiger geworden?
»Mh.« Felix drückt seine Zigarette in einem Aschenbecher aus, bläst noch einmal den letzten Rauch in die Luft.
»Die vom NEF müssen wohl eine voll üble Rea gehabt haben«, sagt Roman. »Eine neunundzwanzigjährige Frau, die am Nachmittag tot in der Wohnung lag. Auf dem Boden vor der Wiege, in der ihr drei Wochen alter Säugling lag. Der Mann soll sie entdeckt haben, als er von der Arbeit kam. Wie lange sie schon tot war, ob nur ein paar Minuten oder eine halbe Stunde, war schwer zu sagen. Jedenfalls die …«, er zeigt in Richtung Halle, wo der leere Platz des NEF s ist, »… haben die Frau wohl nicht mehr in die Klinik gebracht.«
Ich muss erst mal schlucken. Da möchte ich nicht dabei gewesen sein. Die Kollegen, die den Einsatz gefahren haben, tun mir leid. Doch dann denke ich auch an das Fahrzeug, das ich von denen übernehmen werde. Eine stressige Rea bedeutet auch: Ich muss den Notfallkoffer im NEF gründlich durchsehen, wenn es endlich mal zurück ist. Bei so was geht leicht mal der Überblick verloren, wer was aus dem Koffer genommen hat und ob es nachgefüllt wurde, vor allem, wenn dann vielleicht noch andere Einsätze nachgefolgt sind. Und – die beiden sind ja immer noch unterwegs.
Als etwas später Marcias Piepser pfeift, verschwindet sie im Auto. Bevor sie und Jens losfahren und in der Nacht verschwinden, öffnet Marcia das Fenster noch mal.
»Sieht aus, als ob du noch ein wenig länger auf dein Auto warten musst!«, ruft sie mir noch zu. »Wir haben mit deinem NEF zusammen einen Einsatz in der Stadtmitte.«
Jens auf dem Beifahrersitz sieht immer noch ein wenig beleidigt aus, zum Abschied hebt er die Hand nicht mal einen Zentimeter weit, dann das schrille blaue Blitzen vom Dach des Rettungswagens. Wenig später, das Tor ist gerade erst wieder zu, hört man das Martinshorn nur noch aus der Ferne.
Die leere Halle hinter mir, ein paar Ölflecken am Boden und Marcias Hausschuhe. Weiter drüben, da wo gerade noch Jens eingestiegen ist, liegt ein blauer Handschuh. Niemand mehr da: Felix und Roman sind wohl schon in die Umkleide gegangen. Im Vorbeigehen hebe ich den Handschuh auf, um ihn wegzuwerfen.
Es ist kurz nach halb acht, als das NEF dann endlich zur Wache zurückgefunden hat. Norman kommt zur Tür herein. Ein eiliger Blick.
»Ich muss dringend los …« Er legt mir den Piepser und den Autoschlüssel auf den Tisch. Max, einen unserer Notärzte, sehe ich noch im Gang an der offenen Tür vorbeigehen, auf dem Weg nach oben ins Notarztzimmer, wo Dr. Eckmann auf ihn wartet, mit dem ich Nachtschicht habe.
Norman dreht sich um und schreibt seine Überstunden auf den Tagesdienstplan an der Pinnwand.
»Ging das den ganzen Tag so?«, erkundige ich mich.
»Wir sind jetzt seit sechs Uhr heute Morgen unterwegs. Ich war zwei Mal kurz auf der Wache, nie länger als zehn Minuten. Ich hab nicht mal zu Mittag gegessen, meine Pizza müsste noch im Ofen stehen, die kannst du haben, wenn du willst. Sie ist bestimmt so hart wie ein Backstein.«
Na, danke!
Ich erkundige mich danach, ob Opiate verbraucht und dokumentiert wurden und wie es mit dem übrigen Material aussieht.
» EKG -Elektroden müssten nachgefüllt werden. Die reichen höchstens noch für ein oder zwei große EKG s«, meint Norman. »Der Rest müsste stimmen, bis auf ein paar Tupfer und ein oder zwei 5-ml-Einmalspritzen müsste der Koffer komplett sein.«
Als ich mit dem Checken des NEF s fertig bin, ist es kurz nach neun. Ob ich mir jetzt auch beim Fastfood-Restaurant was holen soll? Oder lieber nichts essen? Ich müsste mal abnehmen. Geräusche aus der Garage. Vielleicht das NEF ? Aber es sind nur Marcia und Jens mit zwei Tüten voll Essen. Die Pommes und die Wiener Schnitzel duften so aufdringlich, dass ich richtig Hunger bekomme.
»Ich bin kurz hinten und hole mir nur ’ne kleine Pommes.«
Zurück komme ich mit einem großen Hamburger, einer großen Pommes, einer Nachspeise und einer Cola. Und natürlich pfeift mein Melder, gerade als ich mir die ersten Fritten in den Mund schiebe.
Dr. Eckmann ist im nächsten Moment beim Auto, neben mir sehe ich Marcia, die im Licht der Leselampe etwas nachschaut, eine Straßenkarte in der einen Hand, den Funkhörer in der anderen, dann rollen sie neben mir schon aus der Halle.
Ein Verkehrsunfall, die Ortsbeschreibung nicht ganz klar:
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