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Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet

Titel: Schneller als der Tod erlaubt. Ein Rettungssanitäter berichtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lehmacher
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viele Worte.
    Dann, nach einer Weile, verabschiedet er sich: »Ich denke, unser Notarzt wird gleich noch einmal zu Ihnen kommen.« »Alles Gute!«, sage ich nun auch noch, dann drehen wir uns um und gehen.
    Draußen vor dem Rettungswagen beziehen die beiden ihre Trage wieder. »Da muss ich deinen Medicus gleich noch fragen, wie er das wissen konnte«, sagt Ferdinand.
    Aber dann kommt es anders.
    »33/04, für Leitstelle«, hört man den Funk aus dem Führerhaus. Und noch ehe Ferdinand am Hörer ist, um zu antworten, ertönt die Stimme noch einmal.
    »33/04 sind Sie schon wieder klar?«, und ohne die Antwort abzuwarten, löst der Mitarbeiter in der Leitstelle die Tonfolge der Piepser aus, und neben mir pfeifen und rauschen die beiden schwarzen Kästchen, die an den Gürteln der beiden Kollegen befestigt sind. Ferdinands Kollege schiebt noch schnell die Trage ins Auto und schließt die Türen. Einen Moment später verschwinden die beiden irgendwo draußen in dieser Spätsommernacht.
    Durch die Scheiben sehe ich den großen Fernseher im Warteraum. Offenbar eine Kochsendung, die dort läuft. Max hat sich neben die Ehefrau gesetzt. Aus der anderen Richtung, von hinten, wo die Psychiatrie ist, kommt ein bärtiger Mann in Jeans und einem langen weißen Kittel. Das Ende eines Reflexhammers schaut ein wenig aus der Seitentasche heraus. Er ist in offenbar in Gedanken, lächelnd, ohne Notiz von mir zu nehmen, geht er an mir vorbei.
    Ich habe die kurzärmlige Dienstkleidung an, mir ist kalt. Ich könnte mir die Jacke überhängen und noch ein wenig hier stehen bleiben, aber dann gehe ich doch zurück in mein Auto und schaue das Protokoll noch einmal durch.
    Bald darauf öffnet sich die Beifahrertür. »Er hat echt gute Karten. Wir haben ihn ja auch gleich erwischt, als er den Stillstand bekommen hat.« Max wirkt gar nicht mehr müde. »Wir können dann wieder.«
    Als wir aus der Notaufnahme herausfahren, will ich genau wissen, wie alles gelaufen ist.
    Max erzählt es bereitwillig.
    »Es ging ihm plötzlich schlechter, der Druck hat abgebaut, ich hab noch einmal ein EKG geschrieben, da hat man es dann deutlich gesehen, kurz drauf war er weg. Wir haben kurz angehalten, ihn intubiert und beatmet.«
    »Aha.« Aber meine eigentliche Frage ist noch nicht beantwortet. »Warum hast du ihn überhaupt mitgenommen? Das erste EKG war doch unauffällig. Und auch sonst …«
    »Ein Hinterwandinfarkt«, schneidet er mir das Wort ab.
    »Ja, das weiß ich schon«, entgegne ich. »Ich hab ja die Voranmeldung mitgehört.«
    »Wenn du möchtest, können wir noch durch die Stadt nach Hause fahren und uns ein Eis mitnehmen«, wechselt er das Thema.
    »Mir ist kalt, irgendwie lieber nicht.«
    Außerdem hat er mir meine Frage immer noch nicht beantwortet.
    Unterwegs kommt uns ein Rettungswagen entgegen, Kollegen, die mit Blaulicht und Martinshorn an uns vorbeiziehen, ich sehe sie im Seitenspiegel verschwinden.
    »Woher hast du gewusst, dass der Mann den Infarkt hatte, wenn man im ersten EKG nichts gesehen hat?«, versuche ich es noch einmal.
    Wieder keine Antwort.
    »Ich meine, was hat den Ausschlag gegeben? Irgendetwas muss es doch gewesen sein.«
    »Ich weiß es nicht, Georg.« Er sieht aus dem Fenster. »Schau mal da draußen, ich glaub, der ist sturzbesoffen.« Tatsächlich sieht man einen Mann, der ein Fahrrad schiebt und deutlich schwankt. Und eine Frau, die ihn immer wieder stützt und davon abhält, umzufallen. Ein komischer Anblick, auch wenn die Frau es möglicherweise nicht ganz so amüsant findet.
    Dann stehen wir an einer großen Kreuzung vor einer roten Ampel.
    »Es war einfach nur so ein Gefühl«, sagt Max auf einmal. »Ich hatte einfach Angst, den Mann zu Hause zu lassen und das Gefühl, einen Fehler zu machen, wenn ich ihn nicht mitnehme.«
    »Nur ein Gefühl? Sonst nichts?«
    »Es gab ein paar Anzeichen, die dafür sprachen«, sagt er noch, ohne hinzuzufügen, welche das waren, und dann setzt er noch einmal nach: »Der eine nennt es wohl Intuition. Der andere begründet es mit Erfahrungen, die er gemacht hat, und mit Wahrnehmungen, die er vielleicht teils bewusst, teils unterbewusst macht.« Er blickt auf das Protokoll, das er ausgefüllt hat. »Nein … sonst nichts. Eben nur ein Gefühl für das, was man tut.«
    »Und – wie hättest du das denen in der Klinik erklärt?«
    »Ja …« Er lacht.
    Es wird grün.
    »Ja«, murmelt er jetzt eher halblaut, »das ist immer das Problem in so einem Fall, nicht? Dafür muss man sich dann im

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