Schneller als der Tod
Jungs an einer sogenannten Militärschule, ergaben sie sich. Und es beeindruckte mich nachhaltig, wie elegant Skinflick damit umging. Erst brüllte er vor Wut, dann lachte er, und man merkte ihm an, dass beide Reaktionen echt waren. Im Übrigen war er trotz seines Benehmens und seiner Behauptung, er habe im Leben nur ein einziges Buch ganz durchgelesen, der gescheiteste Kerl, den ich kannte.
Er war außerdem so selbstbewusst, dass er zu jedem freundlich sein konnte - zur Bedienung im Café genauso wie zu irgendeinem Schleimer -, und so war es möglich, an ihn heranzukommen. Nicht, dass es keine Mühe gekostet hätte. Ich ließ die alteuropäischen Marotten sausen und legte mir einen schicken Lotterlook zu, mit Vuarnet-Sonnenbrille und Korallenkette. Ich sprach langsamer und mit tieferer Stimme und machte so selten wie möglich den Mund auf. Außenseiter an der Highschool sollten einen todernsten Anreiz bekommen, sich einzufügen. Das hilft.
Außerdem fing ich an, Drogen zu dealen. Ich hatte eine Connection über einen Spinner, den ich von meiner alten Highschool kannte, aus der Zeit, bevor meine Großeltern umgebracht wurden und meine Freunde aufhörten, mit mir zu reden, weil sie nicht wussten, was sie sagen sollten. Der ältere Bruder des Spinners war voll im Geschäft und besorgte mir 20-Gramm-Tüten Gras und 2-Gramm-Päckchen Kokain zu einem guten Preis. Die beiden dachten wohl, es sei Eigenbedarf.
Letztlich musste ich das Zeug unterm Selbstkostenpreis abgeben - der Gedanke, Freunde zu kaufen, ist einfach nicht so furchtbar originell -, aber es funktionierte. Durch Pot haben Skinflick und ich uns kennengelernt.
Eines Tages steckte er mir im Unterricht einen Zettel zu, auf dem stand: »Brother, can you spare a dime?«
Ich bin mit Sicherheit Gottes Traum von einem Arschloch -ein Affe in den Mayaruinen, der auf alles scheißt, was er nicht versteht, schlimmer als ein Neandertaler. Aber von all den beschämenden Sachen, die ich gemacht habe, ist für mich am leichtesten verständlich, dass ich mich in Adam Locano und seine Familie verliebte, als ich sechzehn war.
Jahre später hat die Bundespolizei mich damit kleinzukriegen versucht: Was für ein hoffnungsloser Idiot das sein müsse, der feststellt, dass seine Großeltern von Mafiaschweinen umgebracht worden ist, und dann selbst mit Mafiaschweinen zusammenlebt, für sie arbeitet, sich bei ihnen einschleimt und sich von ihnen abhängig macht. Aber die Gründe lagen auf der Hand.
Es gibt Cops, die für siebzigtausend Dollar und ein halbes Kilo Kokain kriminell werden. Die Locanos haben mich in ihre
Familie
aufgenommen. Ihre richtige Familie, nicht irgendeinen Mafiafilm-Scheiß. Sie haben mich zum
Skifahren
mitgenommen, verdammt nochmal. Sie waren mit mir in
Paris,
und anschließend sind Skinflick und ich mit dem Zug nach Amsterdam gefahren. Sie waren zwar keine grundgütigen Menschen, aber sie hatten Verständnis für andere, und zu mir waren sie ausgesprochen freundlich. Neben Skinflick und seinen Eltern gab es noch zwei jüngere Brüder. Und niemand in der Familie sah gehetzt aus oder hatte ständig Massenmord im Kopf. Alle schienen nach vorn zu blicken, in ein Leben mit Zukunft, und nicht hinter sich in eine Todesfalle, die sie nicht erklären konnten. Und es hatte den Anschein, als wollten sie mich mitnehmen.
Ich war nicht annähernd stark genug, um nein zu sagen.
David Locano, Skinflicks Vater, war Anwalt in einer Viererkanzlei nicht weit von der Wall Street. Später erfuhr ich, dass er als Einziger der vier Partner für die Mafia arbeitete, dass er aber auch die Kanzlei am Laufen hielt. Er trug teure Schlabberanzüge und hatte wallendes, nach hinten gekämmtes schwarzes Haar. Ganz konnte er nie verbergen, wie clever und kompetent er war, doch im Familienkreis wirkte er meist scheu und weggetreten. Wann immer er eine Frage hatte - zu Computern, oder ob er anfangen sollte, Squash zu spielen, die Zone-Diät zu machen oder was immer -, wandte er sich hilfesuchend an
uns.
Skinflicks Mutter, Barbara, war dünn und mit Humor gesegnet. Sie servierte oft Appetithappen und war entweder wirklich sportbegeistert oder verstand es, so zu tun, als ob.
»Ach bitte«,
sagte sie gern. Wie in:
»Ach bitte, Pietro - jetzt nennst du ihn auch schon Skinflick?«
(Pietro war übrigens mein richtiger Name. Pietro Brnwa, gesprochen »Brauna.«)
Dazu kam Skinflick. Mit Skinflick abzuhängen war zwar nicht direkt so, als würde man einer Gehirnwäsche unterzogen, da
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