Schneller als der Tod
Gehirnwäsche normalerweise darauf abzielt, eine beschissene Realität wünschenswert erscheinen zu lassen, und das Abhängen mit Skinflick wirklich
Spaß
gemacht hat. Aber die Wirkung war die Gleiche.
Sagen Sie mir zum Beispiel Folgendes:
Was gibt man für einen Abend auf einer Lagerfeuerparty am Strand? Wenn man gerade sechzehn ist? Man spürt das Feuer auf der einen Seite des Gesichts und den Wind auf der anderen, den kalten Sand an den Knöcheln und durch den Hintern der Jeans, aber der Mund des Mädchens, das man küsst und kaum sieht, ist heiß und feucht und schmeckt nach Tequila, und man hat das Gefühl, sich telepathisch mit ihr zu verständigen, und überhaupt braucht man nichts im Leben zu bereuen und zu bedauern, denn wie es aussieht, wird die Zukunft grandios, und klar hat man einiges wegstecken müssen, aber gerade deshalb darf man jetzt vielleicht umso mehr Gutes erwarten...
Was gibt man dafür? Und wie wägt man das gegen die Verpflichtung ab, die man gegenüber den Toten hat?
Kein Problem: Man sieht sich um und geht. Man schüttelt den Kopf und wird wieder der einsame, komische Riese mit den toten Großeltern. Man ist froh, dass man seine Seele behalten hat.
Ich hab's nicht so gemacht. Ich bin noch bei den Locanos geblieben, als ich schon längst bekommen hatte, was ich von ihnen wollte, bis mein Leben nur noch ein Hohn auf meine einstige Mission war. Nun könnte ich sagen, als Ziehsohn meiner Großeltern sei ich schlecht gewappnet gewesen gegen Leute, für die Lügen und Manipulation eine Lebensart und eine Form der Unterhaltung waren. Ich könnte aber auch sagen, dass mich das Zusammensein mit den Locanos vor Glück schwindlig gemacht hat und ich nicht wollte, dass es aufhört.
Und seither habe ich wirklich noch viel Schlimmeres getan.
Kapitel 3
Der Mann in dem Bett im Anadale-Trakt ist ein Typ, der mir als Eddy Squillante alias Eddy Consol bekannt war.
»Was soll das?«, knurre ich und packe ihn an seinem Klinikhemd. Ich sehe noch mal auf seine Akte. »Da steht, du heißt LoBrutto!«
Er guckt verwirrt. »Ich heiße doch LoBrutto.«
»Ich denk, du heißt Squillante.«
«Squillante ist nur ein Spitzname.«
»Squillante?
Wie kommt man denn zu dem Spitznamen
Squillante?«
»Er geht auf Jimmy Squillante zurück.«
»Den Scheißkerl von der Müllindustrie?«
»Den Mann, der die Abfallwirtschaft
wiederbelebt
hat. Und halt dich zurück. Das war ein Kumpel von mir.«
»Langsam«, sage ich. »Du nennst dich Squillante, weil Jimmy Squillante ein
Kumpel
von dir war?«
»Ja. Wenn er auch in Wirklichkeit Vincent hieß.«
»Scheiße,
wovon redest du?
Ich kannte mal ein Mädchen namens Barbara - deswegen sag ich den Leuten doch nicht, sie sollen mich Babs nennen.«
»Hat was für sich.«
»Was ist mit >Eddy Consol«
»Auch ein Spitzname von mir. Nach >Consolidated<.« Er kichert. »Meinst du, jemand heißt wirklich >Consolidated« Ich lasse ihn los. »Nein, schon kapiert, danke.« Er reibt sich die Brust. »Mensch, Bärentatze -« »Nenn mich nicht so.«
»Okay...« Er bricht ab. »Warte mal. Wie hast du mich gefunden, wenn du nicht wusstest, dass ich Squillante bin?« »Ich hab dich nicht gefunden.« »Was heißt das?«
»Du bist Patient in einem Krankenhaus. Ich bin Arzt.« »Du bist als Arzt verkleidet.« »Nein. Ich
bin
Arzt.« Wir starren uns an.
Dann sagt er: »Mach, dass du rauskommst!« Ich will es mit einer Handbewegung abtun. »Das ist doch halb so wild.«
»Blödsinn! Masel tov, Junge!« Er schüttelt den Kopf. »Ihr scheiß Juden. Was denn, dürfen Klugärsche nicht Anwalt werden?«
»Ich war nie ein Klugarsch.«
»Das tut mir aber leid.«
»Ich habe keine Entschuldigung verlangt.«
»Ist mir so rausgerutscht. Nichts für ungut.«
Ich hatte vergessen, dass Mobster so reden - als säßen sie in einer demokratischen Allparteienversammlung. »Schwamm drüber«, sage ich. »Die Hälfte der Typen, die ich für David Locano umgelegt habe, waren Klugärsche.«
Er schluckt, was gar nicht so leicht ist, wenn man alle Flüssigkeiten durch den Arm zugeführt bekommt. »Willst du
mich
umbringen, Bärentatze?«
»Ich weiß noch nicht«, antworte ich.
Schnell blickt er auf seinen Tropf.
»Wenn ich's mache, dann jage ich schon keine Luft durch deinen Schlauch.«
Wenn ein bisschen Luft im Tropf wirklich töten könnte, wäre die Hälfte aller Patienten im Manhattan Catholic schon tot. Im richtigen Leben beträgt die LD50 an Luft - die Dosis, die für 50 Prozent aller
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