Schneller als der Tod
das Einzige, was ich mir merken kann.
»Guten Morgen, Sir.«
»Sparen Sie sich den Sir. Ich arbeite, um zu leben«, sage ich. »Machen Sie die Laborwerte.«
Das verwirrt sie meistens, aber der eine sagt: »Haben wir schon.«
»Dann bleiben Sie mal hier.«
»Aber -«
«Tut mir leid, Leute. Unterricht gibt's später.*
(In diesem elementaren Austausch - »Guten Morgen, Sir/Tut mir leid, Leute, Unterricht gibt's später« - besteht die Hauptaktivität der letzten beiden Jahre des Medizinstudiums. Die Hauptaktivität der beiden ersten Jahre besteht in unbezahlten Powerpoint-Präsentationen durch verbitterte Doktoren, die sich am Morgen dem Dekan nicht rechtzeitig entziehen konnten.)
Und wir sehen uns um halb acht bei der Oberarztvisite.«
Natürlich werde ich drei Meter weiter von Akfal angepiept, der auf der Intensivstation ist. »Hast du Zeit?«, sagt er, als ich ihn zurückrufe.
Statt »nein« sage ich: »Ist es ernst?« Eine dumme Frage, denn sonst hätte Akfal mich nicht angepiept. So viel Zeit hat er nicht.
»Du musst mir bei einer Thorakotomie helfen.«
Scheiße. »Ich bin gleich da«, sage ich ihm.
Ich wende mich wieder an meine Studenten. »Programmänderung, Leute«, sage ich. »Onkel Akfal hat einen Eingriff für uns.«
Auf dem Weg zur Feuertreppe sieht sich einer der beiden nervös nach der Notrufversammlung um. »War das nicht unsere Patientin, Sir?«
»Sie ist jetzt Gottes Patientin.«
Thorakotomie heißt, es wird jemandem ein zugespitzter Schlauch durch die Brustwand eingeführt. Das tut man, wenn sich so viel Blut, Schleim, Luft oder was immer im Brustkorb ansammelt, dass eine oder beide Lungen zusammengedrückt werden und dem Betroffenen das Atmen schwerfällt. Man darf dabei die wichtigen Organe - Lunge, Milz, Leber - und die Rippenunterseite nicht verletzen, da an der Unterseite die Vene, die Arterie und der Nerv verlaufen. (Man sieht das noch am gebratenen Rippenstück. Dann geht man kotzen.) Sonst aber ist der Thoraxschlauch leicht zu legen, solange der Patient stillhält.
Was er nie tut. Und da komme ich ins Spiel. Ich gebe es ungern zu, aber die ärztliche Aufgabe, die ich bis zur Perfektion beherrsche, ist das Niederhalten. Jetzt werden meine Studenten einmal ein Genie bei der Arbeit erleben.
Entsprechend überrascht bin ich, als wir in die Intensivstation kommen und den Patienten auf die Seite gedreht vorfinden, mit offenen Augen und heraushängender Zunge. Ich befürchte sogar, dass er gestorben ist, während Akfal mit mir telefoniert hat, aber dann fühle ich die Halsschlagader des Patienten, und sie pulst gut, wenn er auch nicht erkennen lässt, dass er mich wahrnimmt. »War er schon so?«, frage ich.
Akfal stellt einen OP-Tisch auf, ganz mit Material von Martin-Whiting Aldomed. »Anscheinend ist er immer so. Schwere Apoplexia cerebri*
( sog. Schlaganfall. Ein Blutgefäß im Gehirn wird verstopft (gewöhnlich durch ein Blutgerinnsel, gewöhnlich aus dem Herzen), oder es platzt. Hoch die Sense: Das ist die zweithäufigste Todesursache in den Vereinigten Staaten.)
vor sechs Jahren.«
»Wofür brauchst du uns dann?«
»Seiner Akte nach ist er zu heftigen plötzlichen Bewegungen fähig.«
Ich tippe an den Augapfel des Mannes. Keine Reaktion. »Da verarscht dich jemand. Der Typ lebt nur noch auf dem Papier.«
»Wahrscheinlich.« Er reißt ein Päckchen Dermagels auf dem blauen Papiertischtuch auf und streift sie nacheinander über, wobei er nur die Innenseite mit der Haut berührt. »Kann losgehen«, sagt er.
Ich kurble das Bett hoch, und die Medizinstudenten packen jeder ein Bein. Ich knote das Nachthemd des Mannes auf und lasse es auf seine Hüfte fallen. Der Mann ist schwabblig von Komafett.
Akfal desinfiziert eine Stelle links unten am Brustkorb mit einem sterilen Tupfer, dann nimmt er den Schlauch auf. Ich werfe einen Arm über Brustkorb und Arme des Mannes.
Akfal sticht zu. Der Patient schreit auf und stößt die beiden Studenten so fest von seinen Beinen weg, dass sie gegen die Wand knallen. Der eine wirft dabei einen Monitor um.
Aber der Schlauch ist drin.
Wo
drin ist die Frage, denn die herausspritzende Flüssigkeit - sie klatscht Akfal auf die Brust und ins Gesicht, bevor er eine Bettpfanne ergreifen kann, um sie abzuwehren - sieht wie weinrotes Blut aus. Nach ein paar Sekunden quillt sie normal heraus.
Der Patient seufzt und entspannt sich wieder in meinen Armen. »Alles in Ordnung, Kinder?«, frage ich die Studenten.
»Ja, Sir«, sagen sie beide
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