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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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Menschen tödlich ist - zwei Kubikzentimeter pro Kilo Körpergewicht. Bei LoBrutto, oder wie immer er heißt, wären das rund zehn Kanülen.*
(Die tatsächlich benötigte Menge variiert stark von Person zu Person. Jeder Dritte hat ein so großes Loch in der Wand zwischen linker und rechter Herzkammer, dass eine Luftblase, die sonst zur Lunge (und weiter in die Atmosphäre) gehen würde, direkt von dort ins Gehirn gehen kann. Aber die meisten Infusionsgeräte sind viel schwerer luftfrei zu halten als eine Spritze, deshalb macht sich niemand die Mühe.)
    Vielleicht sollte ich ihm einen Korken in den Hals stopfen. Leichtes Holz ist in Röntgenaufnahmen unsichtbar, und kein Pathologe im Manhattan Catholic wird sich die Mühe machen, Squillantes Kehlkopf zu sezieren. Aber wo nehme ich einen Korken her?
    »Hör auf, daran zu denken!«, sagt er.
    »Ruhig Blut«, sage ich. »Im Moment weiß ich noch gar nicht, ob ich dich umbringe.«
    Gleich darauf wird mir klar, dass das stimmt, weil ich ausgeknobelt habe, wie ich's mache, wenn es sein muss.
    Ich spritze ihm einfach Kalium. Wenn ich das schön langsam tue, bleibt sein Herz stehen, ohne dass es Zacken auf seinem EKG gibt, und wenn er tot ist, platzen so viele Zellen in seinem Körper, dass alles von Kalium überschwemmt wird.
    »Himmel«, sagt er. »Soviel ich weiß, hab ich sowieso Krebs.«
    »Den hast du.«
    »Was heißt das?«
    »Ich hab gerade deinen Biopsiebefund gelesen.«
    »Himmel! Krebs! Ist es schlimm?«
    »Nein, fabelhaft. Deswegen will doch jeder Krebs haben.«
    Squillante schüttelt mit Tränen in den Augen den Kopf. »Was für ein scheiß Klugarsch. Schon als Junge.« Er grabscht nach meinem Namensschild. »Wie nennst du dich überhaupt heutzutage?«
    Er bekommt Stielaugen, als er es liest. »>Peter Brown    »Ja«, sage ich beeindruckt.*
( The Ballad of John and Yoko: »Peter Brown called to say/You can make it O. K./You can get married in Gibraltar near Spain.« Peter Brown war der am längsten für die Band aktive Roadie der Beatles.)
    »Sie haben deinen Namen von Pietro Brnwa zu
Peter Brown
geändert? Für wie blöd halten die uns?« »Für saublöd anscheinend.«
    Eine Durchsage kommt aus dem Lautsprecher in der Decke. »Code Blau.
Alles verfügbare ärztliche Personal in die 815 Süd.«
Das wird ein paarmal wiederholt.
    Squillante begreift, woran er ist. »Ich sag keinen Ton, Bärentatze«, sagt er. »Versprochen.«
    »Sonst komm ich wieder und mach dich doch kalt. Kapiert, du Blindgänger?«
    Er nickt.
    Ich schnappe mir das Telefonkabel und reiße es im Hinausgehen aus der Wand.

    Ich erreiche den Einsatzort. Jedenfalls den Flur davor.
    Alle lieben Notrufe, weil man sich dann aufführen kann wie im Fernsehen. Wenn man nicht dazu kommt, an den Defibrillatorpaddeln »Zurück!«, zu schreien, kann man vielleicht wenigstens den Beatmungsbeutel drücken oder ein Medikament injizieren, das die Schwestern aus dem Notfallwagen holen. Außerdem kommen Leute aus dem ganzen Krankenhaus zusammen - nicht nur die aus der Inneren, die müssen -, daher ist es eine tolle Gelegenheit zur Kontaktpflege. Und wenn der Alarm ausgelöst wurde, weil der Patient wirklich einen Zusammenbruch hat, kann man vielleicht sogar jemandem das Leben retten und seine schreckliche Berufswahl damit rechtfertigen.
    So ein Fall ist das hier aber nicht, fällt mir ein, sobald ich hinkomme. Im vorliegenden Fall ist der Patient mal wieder seit Stunden tot, und ein Pfleger will seinen lettischen Arsch retten.
    »Wer schreibt auf?«, sage ich.
    Eine Schwester namens Lainie mit Stoppuhr und Anwesenheitsliste dreht sich um. »Ich, Dr. Brown«, sagt sie. Sie zwinkert. »Hab Sie schon abgehakt.«
    »Danke.« Lainie ist heiß, aber sie ist verheiratet. Zwar mit einem Mann, der aussieht wie zwölf und ein Baseballtrikot so lang wie ein Cocktailkleid trägt, aber für so was bin ich nicht.
    Ich bin dafür, wieder zu Squillante zu gehen. Und ihn entweder umzubringen oder mir zu überlegen, was ich sonst mit ihm mache.
    Es bietet sich kein Ausweg an. Wenn ich ihn am Leben lasse und er David Locano sagt, wo ich stecke, bin ich entweder tot oder auf der Flucht. Andererseits arbeite ich im Krankenhaus als
Wiedergutmachung
dafür, dass ich gemordet habe.
    So in der Richtung.
    »Sir?« Es ist ein leises Stimmchen hinter mir. Ich drehe mich um.
    Meine Medizinstudenten. Zwei Becher menschlichen Elends in kurzen weißen Kitteln. Ein Männlein, ein Weiblein, und beide haben Namen. Das ist

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