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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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und ich habe keine Zeit für solchen Scheiß.
    Auf den Gängen werden wir immer wieder daran erinnert, was für ein faszinierendes Miteinander von Menschen in höchster Eile und Menschen, die zu langsam sind, um ihnen aus dem Weg zu gehen, ein Krankenhaus darstellt.
    Wir retten sogar ein paar Leben, wenn man die Korrektur einer falschen Medikation als Lebensrettung bezeichnen kann. Meistens handelt es sich nur darum, dass eine Schwester jemandem Milligramm pro Pfund statt Milligramm pro Kilo verabreichen will, aber auch Exotischeres kommt vor wie beispielsweise eine Schwester, die
Combivir
für jemanden bereithält, der
Combivent
benötigt.

    Einige Male werden wir gebeten, bei schwierigen Entscheidungen zu helfen, die Einfluss darauf haben, ob jemand am Leben bleibt oder stirbt. Auch das erledigen wir schnell. Gäbe es eine Lösung ohne Wenn und Aber, hätte sie sich aufgedrängt, und da sich keine aufgedrängt hat, können wir diesen Leuten nicht viel sagen. Dafür gibt es Quacksalber und das Internet.
    »Geht nach Hause«, sage ich meinen Studenten, als wir durch sind. Wir haben so ungefähr neunzig Sekunden Luft. »Wir würden gern bei der OP zusehen«, sagt einer. »Warum?«, sage ich. Aber ich kann die Hilfe gebrauchen. Wir sausen alle runter zur Einleitung.

    Der Anästhesist ist da, aber Friendly nicht. Die Schwester fragt, warum und ob ich den Schreibkram machen und den scheiß Patienten schon mal runterbringen kann.
    Ich »mache« den Schreibkram mit der Geschwindigkeit und Lesbarkeit eines Seismografen. Dann schicke ich meine Studenten irgendeinen Mist über Magen-Darm-Operationen nachsehen und gehe Squillante holen.

    »Ich hab dich drangekriegt, Bärentatze«, sagt er plötzlich, als wir auf den Aufzug warten. Er ist noch in seinem Rollbett. »Was du nicht sagst.«
    »Etwas schlimmer drangekriegt, als ich wollte, meine ich.« Ich drücke noch mal auf den Knopf. »So?« »Ja. Ich dachte, Skingraft sei in Argentinien.« »Versteh ich nicht.«
    »Er ist in New York. In diesem Moment. Hab ich gerade erfahren.«
    »Nein. Ich meine, wer verdammt nochmal ist Skingraft?«
    Ich nehme an, es ist einer von Skinflicks jüngeren Brüdern, obwohl die beide nicht der Typ sind, vor dem man Angst haben müsste.
    Oder es ist wieder der Spitznamenscheiß.
    »Tschuldigung«, sagt Squillante.
»Skinflick.
Ich hab vergessen, dass ihr Freunde wart.«
    »Was?«
    Der Aufzug kommt. Er ist rappelvoll. »Einen Moment«, sage ich zu Squillante.
    »Alles raus«, sage ich. »Der Patient hier hat die Hasenpest.« Als sie weg sind und wir bei geschlossenen Türen an Bord, drücke ich die Taste, mit der auch Stacey den Aufzug angehalten hat.
    »So, wovon redest du verdammt nochmal?«
    »Skinflick«, sagt Squillante. »Sie nennen ihn jetzt >Skingraft<, wegen seines zusammengestoppelten Gesichts.«
    »Skinflick ist tot. Ich habe ihn aus dem Fenster geschmissen.«
    »Aus dem Fenster geschmissen hast du ihn.« »Ja.«
    »Aber es hat ihn nicht umgebracht.«
    Eine Sekunde lang kann ich nichts sagen. Ich weiß, dass es nicht stimmt, aber im Innersten scheine ich mir nicht so sicher zu sein.
    »Unsinn«, sage ich. »Wir waren im fünften Stock.«
    »Ich sage ja nicht, dass es ihm Spaß gemacht hat.«
    »Du willst mich verarschen.«
    »Ich schwöre es bei der heiligen Theresa.«
    »Skinflick lebt?«
    »Ja.«
    »Und er ist
hier?«
    »Er ist in New York. Ich dachte, er sei in Argentinien. Da hat er gelebt, um den Kampf mit dem Messer zu lernen.« Squillantes Stimme wird vor Verlegenheit noch leiser. »Für das Wiedersehen mit dir.«
    »Na, das ist ja großartig«, sage ich schließlich.
    »Ja. Tut mir leid. Ich dachte, du hättest ein bisschen Zeit, falls ich sterbe. Jetzt sieht es nicht danach aus. Wenn ich sterben sollte, bleiben dir wahrscheinlich gerade mal ein paar Stunden, um aus der Stadt zu verschwinden.«
    »Danke für deine Rücksicht.«
    Um Squillante keine zu scheuern, knalle ich den Handballen auf die Stopptaste und sause mit ihm runter in die Chirurgie.
     

Kapitel 14
    Anfang November stellte mich Magdalena ihren Eltern vor. Sie wohnten in Dyker Heights in Brooklyn. Eine Gegend, in der ich noch nie gewesen war, bis ich anfing, sie dort abzusetzen.
    Ihren Bruder hatte ich schon kennengelernt, ein großer, schlaksiger blonder Highschooljunge, der ständig Fußballklamotten trug und seltsam schüchtern war, obwohl er ein Dutzend Sprachen konnte und fünftausend exotische Meilen entfernt geboren worden war. Er hieß Christopher, aber

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