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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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leichter heranzukommen. Marta, ihre Agentin, schien die Weitergabe als eine Art Werbung anzusehen, die das Risiko wert war - zumindest für Marta. Der Agentin stellt offenbar niemand nach.
    Die meisten Feste auf dem Terminplan des Quartetts fanden in Privatwohnungen statt, die vielleicht nicht groß genug waren, um sich unauffällig reinzudrängen, daher entschied ich mich für eine Hochzeit im Fort Tryon Park in Upper Manhattan, die erst nach Einbruch der Dunkelheit begann. Als ich hinkam, zeigte sich, dass nur in einem großen Zelt neben dem Bruchsteinrestaurant in der Parkmitte gefeiert wurde. Es war kein aufwendiges, aber ein entspanntes Fest, und im ersten Getümmel konnte ich mich unter die Leute mischen. Ich trug einen Anzug, da ich zu Recht angenommen hatte, dass im Fort Tryon Park niemand eine Frackhochzeit feierte.
    Magdalena trug wieder die weiße Bluse und die schwarze Kellnerhose. Ich hielt mich außer Sicht, bis die Gruppe sich auf einem Fahrweg am Hang die Beine vertrat, und da sprach ich sie an. Sie unterhielt sich neben ihrem Bus mit der Cellistin.
    »Hallo«, sagte ich.
    »Hallo«, sagte die Cellistin. Ihr herausfordernder Ton machte den Unterbiss noch schlimmer.
    »Es ist schon gut«, meinte Magdalena zu ihr.
    Die Cellistin sagte etwas in einer Sprache, die ich nicht mal erkannte, und Magdalena erwiderte, wie ich annahm, etwas in derselben Sprache.
    »Ich bin da drüben«, sagte die Cellistin zu uns beiden und ging davon.
    Magdalena und ich starrten uns an.
    »Sie will dich beschützen«, sagte ich schließlich.
    »Ja. Sie meint, das muss sie. Ich weiß nicht genau, warum.«
    »Ich versteh's.«
    Sie lächelte. »Ist das eine Anmache?«
    »Nein. So ähnlich. Ich möchte dich kennenlernen.«
    Sie legte den Kopf schräg und kniff ein Auge zu. »Weißt du, dass ich Rumänin bin?«
    »Nein. Ich weiß gar nichts von dir.«
    »Eine Rumänin und ein Amerikaner, das geht wahrscheinlich nicht gut.«
    »Mein Gefühl sagt mir was ganz anderes.«
    »Geht mir auch so«, sagte sie.
    Auf die entfernte Möglichkeit hin, dass ich sie richtig verstanden hatte, sagte ich: »Wann kann ich dich sehen?«
    Sie wandte den Blick ab. Seufzte. »Ich wohne bei meinen Eltern«, sagte sie.
    Einen schrecklichen Moment lang fragte ich mich, ob sie erst sechzehn war oder so. Es hätte durchaus sein können. Ebenso gut hätte es sein können, dass sie dreißig war, denn sie strahlte etwas Uraltes aus, wie man es mit einem Vampir oder einem Engel verbindet.
    Ehrlich gesagt, wenn sie sechzehn gewesen wäre, hätte ich mich davon auch nicht aufhalten lassen.
    »Wie alt bist du?«, sagte ich.
    »Zwanzig. Und du?«
    »Zweiundzwanzig.«
    »Na also.« Sie lächelte. »Ideal.«
    »Komm, wir gehen hier weg«, sagte ich.
    Sie berührte meinen Handrücken mit ihren kräftigen, schlanken Fingern. Ich drehte die Hand, um sie mit der ihren zu verschränken.
    Später, wenn sie im Schlaf meine Eier umfasst hielt, um die ihre Finger kaum herumpassten, dachte ich gern an jenen Abend im Park zurück. Aber damals sagte sie: »Es geht nicht.«
    »Wann kann ich dich dann sehen?« »Ich weiß nicht. Ich rufe an.« »Du
musst
mich anrufen.« »Tu ich auch. Aber wir haben nur ein Telefon.« »Ruf mich an, von wo du willst. Wann du willst. Hast du noch meine Nummer?«
    Sie sagte sie auswendig her, und das musste mir genügen.

    Aber wieder verging eine ganze Woche, ohne dass sie anrief. Wahnsinn. Ich ließ Anrufe zur Arbeit weiterleiten und raste dann wie ein Verrückter dahin, um ihren nicht zu verpassen. Ich trug das Schnurlose im Haus spazieren. Waren andere dran, legte ich einfach auf.
    Sie rief am späten Samstagabend an. Ich machte gerade Handstandliegestütze an der Wand und schrie dabei. Vorm Fenster regnete es. Ich machte eine Rolle vorwärts und kam mit dem Hörer in der Hand auf die Beine.
    »Hallo?«
    »Hier ist Magdalena.«
    Ich erstarrte. Ich war nass geschwitzt. Mein Puls ging, als wollte er mir die Fingerspitzen zerreißen, und ich wusste nicht, ob das vorher auch schon so gewesen war oder nicht.
    »Danke für den Anruf«, krächzte ich.
    »Ich kann nicht reden. Ich bin auf einer Party. In einem Schlafzimmer. Alle haben ihre Handtaschen hier. Bestimmt denken sie, ich klaue was.«
    »Ich muss dich sehen.«
    »Ich weiß. Ich dich auch. Kannst du mich abholen kommen?«
    »Ja. Wenn du willst«, sagte ich.

    Die Party war in einer Stadtvilla in Brooklyn Heights. Wegen des Regens erwartete sie mich unter dem Vordach des Apartmentgebäudes auf der

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