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Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
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gebracht. Verdammt, ich hoffe es für ihn.
    Ich zog Magdalena in eine Ecke und legte ihr die Hand auf den Mund. Sie konnte mir, glaube ich, über die Schulter schauen. Nötig war es nicht. Das Wasser
lebte,
und man spürte das Reißen und Schnappen der Haie, die sich um den Leib ihres Bruders stritten.
    Ich weiß nicht, wie lange wir so blieben. Ich drückte uns an die Wände, strampelte, um uns in der Schwebe zu halten, und klinkte jedes Mal aus, wenn etwas meine Beine streifte oder zu streifen schien. Das geschah ständig.
    Gefühlte Stunden vergingen. Mit der Zeit ließen die Gefechte an Heftigkeit und Häufigkeit nach, bis sie aufhörten, die Wasseroberfläche zu zerreißen. Gott weiß, was von Rovo noch an Streitwertem geblieben war. Es wurde einigermaßen ruhig.
    Dann kam eine Stimme von oben. »Mr Locano - Himmel Arsch.«
    Jemand anders sagte: »Du heilige Scheiße.«
    »Ja«, sagte Skinflick. »Räumt ihr bitte mal auf?«
    Jemand fing an, Leichen wegzuschleppen. Es dauerte lange. Die Schuhspitzen der Mafiaärsche machten Glockenspielgeräusche auf dem Metallgitter der Galerie.
    Schließlich wurden sie fertig. Skinflick leuchtete mit der Taschenlampe durch die Gegend, aber ich hielt uns weitgehend unter Wasser.
    »Pietro?«, sagte er.
    Ich antwortete nicht.
    »Schön, dich gekannt zu haben, Alter«, sagte er. Er zog die Rampe hoch, bevor er ging.

    Wenn ich zurückschaue, nimmt diese Nacht die Hälfte der Zeit ein, die ich mit Magdalena zusammen war.
    Wir bewegten uns unendlich langsam am Beckenrand entlang. Ich hielt sie so hoch wie möglich an das Glas, und sie tastete im Dunkeln nach irgendeiner tiefliegenden Strebe, einem Hahn oder sonst was, an dem wir uns hochziehen konnten. Gleichzeitig tastete ich mit den Füßen nach dem Stein, gegen den ich gestoßen war. Wir hatten beide kein Glück. Das Laufgitter, volle anderthalb Meter über dem Wasser, hätte ebensogut eine Meile entfernt sein können.
    In den Ecken konnte man sich gegen beide Scheiben stemmen, auch wenn es ein breiter Winkel war, und sich in der Vertikalen halten. Drückte man zu stark, stieß man sich von der Wand weg. Drückte man nicht fest genug, ging man unter. Meine Arme und mein Genick litten Qualen.
    Und dazu kamen andere, banalere Probleme. Das Salz, das uns so weit trug, dass wir den Kopf über Wasser halten konnten, brannte uns in Augen und Mund. Das Wasser selbst hatte gut sechsundzwanzig Grad, was sich zunächst warm anfühlt, aber ohne weiteres tödlich kalt sein kann, wenn man lange genug drinbleibt.
    Da es jedoch darum ging, Magdalena zu retten, fühlte ich mich unzerstörbar und gegen Erschöpfung gefeit. Ich ließ mir eine Technik einfallen. Ich legte mir Magdalenas Beine von vorn über die Schultern, damit ich sie so weit wie möglich aus dem Wasser halten konnte. Ich glaube, das ging Stunden so. Schließlich zog sie ihre Sachen aus, da es ihr ohne sie wärmer war. Und irgendwann danach ließ sie sich von mir lecken, auch wenn sie dabei nicht aufhörte zu weinen, auch nicht, als sie kam.
    Von mir aus verurteilen Sie mich. Wenn Sie sie verurteilen, schlage ich Ihnen den verdammten Schädel ein. Was Ursprünglichkeit ist, werden Sie merken, wenn sie zu Ihnen ins Wohnzimmer kommt. Der volle, intensive Geschmack von Magdalenas Muschi, die Nerven in meinem Rückgrat, die für keine anderen Reize empfänglich waren, ließen das Meer schwach erscheinen. Sie bedeuteten Leben.*
(Die Leute glauben, das Meer stehe für Leben und Freiheit. Aber Strände sind die am schwersten zu überwindenden Grenzen in der Natur. Die Menschen beten sie an wie den Weltraum, den Tod und überhaupt alles, was (und jeden, der) ihnen ein Nein entgegenhält und es auch meint.)
    Die ganze Nacht hindurch hörte man immer wieder ein schnaubendes Geräusch, jede Viertelstunde etwa. Als das Oberlicht heller wurde, erst langsam, dann wie im Zeitraffer, sah ich einen kleinen runden Kopf mit schwarzen Glitzeraugen an die Oberfläche kommen, der Wasser aus den Reptilnüstern ausstieß.
    Als ich die Zeit auf meiner Uhr ablesen konnte, war es kurz nach sechs. Wir froren, und uns war schlecht. Als es hell genug war, um die Haie im Wasser zu erkennen, wurden sie auf einmal viel aggressiver. Anscheinend mögen sie die Morgen- und die Abenddämmerung. Sie kamen angeschossen wie Springballschatten.
    Aber sie hatten ihre Chance vertan. Jetzt fingen sie sich nur Tritte ins Gesicht ein. Im Becken wurde es noch heller. Jetzt sahen wir, dass das schnaubende Tier eine große

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