Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneller als der Tod

Schneller als der Tod

Titel: Schneller als der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josh Bazell
Vom Netzwerk:
Meeresschildkröte war, und sie war wahrscheinlich auch das, was ich für einen Felsen gehalten hatte. Dann sahen wir, dass sogar zwei da waren. Und dann, dass das Becken von Tieren wimmelte.
    Es waren mindestens ein Dutzend mannsgroße Haie (zwanzig Minuten später zählte ich genau vierzehn) von zwei verschiedenen Arten, die ich nicht kannte. Beide waren braun, sahen aus, als wären sie aus Wildleder, und hatten erstaunlich viele fiese Seitenflossen. Eine Sorte war gefleckt.*
(Offenbar Tigerhaie, Sandtigerhaie oder so was. Wen kümmert's? Jeder Hai dieser Größe greift Menschen an, wenn er glaubt, damit durchzukommen. Und alle Flachwasserhaie haben einen braunen Rücken und einen weißen Bauch, damit die Fische über ihnen sie für Sand und die Fische unter ihnen sie für den Himmel halten.)
    Ein langsam wallender Stachelrochen, der aussah, als sei ihm der halbe Schwanz abgebissen worden, glitt über den Sand- und Betonboden des Beckens. Weiter oben trieb ein Schwärm Papageienfische, jeder gut dreißig Zentimeter lang, die Reste von Rovos Körper vor sich her, attackierte sie und ließ sie um den Beckenrand wandern, als ob er tanzte.
    Viel war nicht von ihm übrig: der zerfledderte Kopf, das Rückgrat, die Armknochen. Seine Hände waren in Fetzen gerissen, die Sehnen zerfranst wie Pompons. Ab und zu suchte ein Hai den Torso dennoch nach Fleischfasern ab und wirbelte ihn herum, bis der Schwärm ihn wieder zu fassen bekam. Einmal tauchte ich unter und packte ihn im Vorbeitreiben, weil ich dachte, wenn ich die Fische davon fernhielt, würde Magdalena vielleicht nicht mehr so hyperventilieren. Aber die Haie wurden zu zudringlich, und mir hob sich der Magen mit dem Ding in der Hand. Man konnte es eigentlich nur an der glitschigen, spitzen Basis der Wirbelsäule anfassen, bei den Löchern, durch die beide Nieren rausgezogen worden waren. Also ließ ich es wieder treiben und sagte Magdalena, sie solle nicht hinsehen. Wir sahen beide aber immer wieder hin.
    Gegen halb acht drehten die Haie ab, als hätten sie ein Signal gehört, und der Fütterer erschien.
    Er war Anfang zwanzig, mit kahlgeschorenem Kopf und Koteletten, und trug eine gelbe Gummihose. Er stand da und starrte auf Magdalenas vorstehende Brustwarzen. Sie war völlig nackt. So bemerkte der Typ wenigstens Rovo nicht.
    »Holen Sie uns hier raus«, schnarrte ich.
    Er ließ die Rampe runter, und ich sprang mit Magdalena in den Armen von der Wand, bereit, jedem Hai, der uns jetzt querkam, die Augen rauszureißen. Als ich sie rausgestemmt hatte und mich hochzog, drehte sich mir alles derart vor den Augen, dass ich einen Moment lang nichts sehen konnte.
    »Ich ruf die Polizei«, sagte er.
    »Wie denn?«, sagte ich. »Sie haben doch kein Handy.«
    »Doch«, sagte er und holte es heraus.
    Blödmann. Ich zerschmetterte es auf dem Geländer und warf die Stücke ins Wasser, nachdem ich ihn bewusstlos geschlagen hatte.
    Die vierundzwanzig Stunden, die mit diesem Augenblick begannen, waren die schlimmsten und wichtigsten meines Lebens. Dabei reiste ich, wenngleich das das wenigste ist, fast zweitausend Meilen, nur um genau einen Tag nachdem Magdalena und ich aus dem Wasser geklettert waren, wieder in New York zu landen.
    Genau gesagt landete ich in Manhattan, wo Skinflicks Pförtner mich noch kannte. Die beiden Gorillas in seiner Wohnung brachte ich mit seinem gläsernen Couchtisch um.
    Skinflick selbst, noch wach und zugekokst, packte ich an den Hüften und hob ihn hoch, wie ich es mit Magdalena immer machte. Dann warf ich ihn, während er sich wand und schrie, mit dem Gesicht voran durch sein Wohnzimmerfenster.
    Gleich darauf wünschte ich, ich hätte ihn wieder, damit ich das Ganze noch mal machen könnte.
    Und von der Straße aus, wo bereits die Menschen zusammenliefen, rief ich Sam Freed an und sagte ihm zum zweiten Mal an diesem Tag, wo er mich abholen sollte.
     

Kapitel 21
    Ich erreiche die Straße als Zivilist. Frei. Ich habe alles aufgegeben. Ich werde keine Patienten mehr behandeln. Und was immer Berufskleidung und ein Kürzel vorm Namen mit mir angestellt haben, jetzt ist es vorbei damit. Ich habe den Priesterstand verlassen, ohne irgendwelche Messdiener missbraucht zu haben.
    Ich sollte mich grässlich fühlen. Das weiß ich. Sieben Jahre habe ich gebraucht, um Arzt zu werden. Sonst habe ich im Grunde nichts. Keinen Job. Nicht mal einen Ort, wo ich in Sicherheit wäre.
    Aber irgendwie duftet der kalte Wind, der Eis vom Gehsteig wirbelt, nach

Weitere Kostenlose Bücher