Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
Personen tun sollten. Die Autoren stellten eine entsprechende Rangordnung der zwanzig Probanden auf und gaben ihr die bemerkenswerte Bezeichnung »Rationalitätsindex«.
Bei jeder Entscheidung wurde die Hirnaktivität der Probanden aufgezeichnet. Später wurden die Versuchsdurchgänge (Ergebnisse der Testaufgaben) in zwei Kategorien eingeteilt:
Versuchsdurchgänge, bei denen die Wahl des Probanden dem Frame entsprach.
– Bevorzugte die sichere Option in der »Behalten«-Version.
– Bevorzugte die Lotterie in der »Verlieren«-Version.
Versuchsdurchgänge, bei denen die Wahl nicht dem Frame entsprach.
Die bemerkenswerten Ergebnisse veranschaulichen das Potenzial dieser neuen Disziplin Neuroökonomik – der Erforschung der Hirnaktivität bei ökonomischen Entscheidungen. Neurowissenschaftler haben Tausende derartiger Experimente durchgeführt, und sie haben gelernt, zu erwarten, dass je nach Art der Aufgabe bestimmte Hirnregionen »aufleuchten« – was auf eine erhöhte Sauerstoffversorgung hindeutet, die ihrerseits eine verstärkte neuronale Aktivität anzeigt. Verschiedene Regionen sind aktiv, wenn ein Mensch ein visuelles Objekt wahrnimmt, sich vorstellt, einen Ball zu schießen, ein Gesicht wiedererkennt oder an ein Haus denkt. Andere Regionen leuchten auf, wenn ein Mensch emotional erregt ist, mit jemandem streitet oder sich auf die Lösung eines Problems konzentriert. Obwohl Neurowissenschaftler sorgfältig darauf achten, keine Formulierungen wie »Dieser Teil des Gehirns tut dieses und jenes« zu gebrauchen, haben sie eine Menge über die »Persönlichkeiten« verschiedener Hirnregionen gelernt, und der Stellenwert der Hirnaktivitätsanalyse bei der Interpretation psychologischer Sachverhalte hat stark zugenommen. Die Framing-Studie hat drei wichtige Befunde erbracht:
– Eine Region, die im Allgemeinen mit emotionaler Erregung assoziiert ist (die Amygdala), war mit hoher Wahrscheinlichkeit aktiv, wenn sich die Wahlen der Probanden mit dem Frame deckten. Genau das würden wir erwarten, wenn die emotional aufgeladenen Wörter »behalten« und »verlieren« eine sofortige Tendenz zur Annäherung an die sichere Option (wenn sie als Gewinn formuliert wird) oder zur Vermeidung (wenn sie als Verlust formuliert wird) auslösen. Die Amygdala reagiert sehr schnell auf emotionale Reize – und sie ist wahrscheinlich an System 1 beteiligt.
– Eine Hirnregion, die mit Konflikt und Selbstkontrolle assoziiert ist (der Cortex cingularis anterior ), war aktiver, wenn Probanden nicht das taten, was der spontanen Tendenz entspricht – wenn sie sich für die sichere Option entschieden, obwohl diese als »verlieren« bezeichnet wurde. Es löst offensichtlich einen inneren Konflikt aus, der Neigung von System 1 zu widerstehen.
– Die »rationalsten« Probanden – diejenigen mit der geringsten Anfälligkeit für Framing-Effekte – zeigten eine verstärkte Aktivität in einer frontalen Hirnregion, die an der Verbindung von Emotion und logischem Denken bei der Entscheidungsfindung beteiligt ist. Bemerkenswerterweise waren die »rationalen« Individuen nicht jene, die die stärksten neuronalen Hinweise auf innere Konflikte zeigten. Offenbar waren diese »auserlesenen« Probanden (oft, nicht immer) realitätsgebunden, ohne nennenswerten inneren Konflikt.
Dadurch, dass diese Studie Beobachtungen tatsächlicher Wahlhandlungen mit der Aufzeichnung neuronaler Aktivität verband, verdeutlichte sie, wie die durch ein Wort hervorgerufene Emotion in die endgültige Entscheidung »durchsickern« kann.
Ein Experiment, das Amos mit Kollegen an der Harvard Medical School durchführte, ist das klassische Beispiel für emotionales Framing. Die teilnehmenden Ärzte erhielten statistische Daten über die Ergebnisse zweier Behandlungsmethoden für Lungenkrebs: Operation und Bestrahlung. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate spricht eindeutig für eine Operation, aber auf kurze Sicht ist eine Operation riskanter als die Bestrahlung. Die eine Hälfte der Teilnehmer las statistische Angaben über die Überlebensraten, die andere erhielt die gleichen Informationen über die Sterblichkeitsraten. Die beiden Beschreibungen der kurzfristigen Ergebnisse einer Operation lauteten:
Die Ein-Monats-Überlebensrate liegt bei 90 Prozent.
Im ersten Monat beträgt die Sterblichkeitsrate 10 Prozent.
Sie kennen bereits die Ergebnisse: Die Operation war beim ersten Frame (84 Prozent der Ärzte entschieden sich dafür) beliebter als beim zweiten (wo 50 Prozent
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