Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
zwischen denselben objektiven Ergebnissen kehren sich bei unterschiedlichen Formulierungen um.
Ein Erlebnis, von dem mir Amos berichtete, gab der Geschichte etwas Betrübliches. Amos wurde eingeladen, einen Vortrag vor einer Gruppe von Fachleuten aus dem öffentlichen Gesundheitswesen zu halten – die Personen, die über Impfungen und andere Programme entscheiden. Er nutzte die Gelegenheit, um ihnen das »Problem der Asiatischen Krankheit« zu präsentieren: Die Hälfte sah die Version mit den »geretteten Menschenleben«, die anderen beantworteten die Frage nach den »verlorenen Menschenleben«. Wie andere Menschen waren auch diese Fachleute anfällig für Framing-Effekte. Es ist einigermaßen beunruhigend, dass die Amtsträger, die Entscheidungen treffen, welche sich auf die Gesundheit jedes Einzelnen auswirken, durch eine so oberflächliche Manipulation beeinflusst werden können – aber wir müssen uns mit der Vorstellung vertraut machen, dass auch wichtige Entscheidungen von System 1 beeinflusst, wenn auch nicht bestimmt werden.
Noch beunruhigender ist das, was geschieht, wenn Menschen mit ihrer eigenen Inkonsistenz konfrontiert werden: »Sie haben entschieden, in einer Formulierung 200 Menschenleben sicher zu retten, und in der anderen Formulierung haben Sie sich entschieden, eine riskante Wette einzugehen, statt sich mit 400 Todesopfern abzufinden. Jetzt, wo Sie wissen, dass diese Wahlen inkonsistent sind, wie entscheiden Sie sich?« Die Antwort ist im Allgemeinen ein betretenes Schweigen. Die Intuitionen, die ausschlaggebend waren für die ursprüngliche Wahl, stammten von System 1 und hatten ebenso wenig wie die Präferenz für das Behalten von 20 Pfund oder die Aversion gegen das Verlieren von 30 Pfund eine moralische Grundlage. Mit Sicherheit Menschenleben zu retten ist gut, Todesfälle sind schlecht. Die meisten Menschen stellen fest, dass ihr System 2 keine eigenen moralischen Intuitionen hat, um die Frage zu beantworten.
Ich danke dem bedeutenden Wirtschaftswissenschaftler Thomas Schelling für mein Lieblingsbeispiel eines Framing-Effekts, das er in seinem Buch Choice
and Consequence beschrieben hat. 5 Schelling schrieb sein Buch, bevor unsere Arbeit über Framing veröffentlicht wurde, und das Framing stand nicht im Mittelpunkt seines Interesses. Er berichtete über seine Erfahrungen bei einem Seminar an der Kennedy School in Harvard, in dem es um Kinderfreibeträge im Steuergesetz ging. Schelling teilte seinen Studenten mit, dass es einen einheitlichen Freibetrag für jedes Kind gebe und dass die Höhe des Freibetrags unabhängig vom Einkommen des Steuerzahlers sei. Er fragte sie nach ihrer Meinung zu dem folgenden Vorschlag:
Sollte der Kinderfreibetrag für die Reichen größer sein als für die Armen?
Ihre eigenen Intuitionen sind sehr wahrscheinlich die gleichen wie diejenigen von Schellings Studenten: Sie fanden die Vorstellung völlig unannehmbar, die Reichen durch einen größeren Freibetrag zu begünstigen.
Anschließend wies Schelling darauf hin, dass das Steuergesetz willkürlich sei. Es unterstelle, dass eine kinderlose Familie der Normalfall sei, und vermindere die Steuerbelastung um den Freibetrag für jedes Kind. Das Steuergesetz könne natürlich mit einem anderen Normalfall umgeschrieben werden: einer Familie mit zwei Kindern. Bei dieser Formulierung würden Familien mit weniger als der Normalzahl der Kinder einen Zuschlag bezahlen. Jetzt bat Schelling seine Studenten, ihre Meinung zu einem anderen Vorschlag zu äußern:
Sollten die kinderlosen Armen einen genauso großen Zuschlag zahlen wie die kinderlosen Reichen?
Auch hier sind Sie wahrscheinlich mit der Reaktion der Studenten auf diese Idee einverstanden, die sie genauso vehement ablehnten wie die erste. Aber Schelling zeigte seinen Studenten, dass es logisch inkonsistent war, beide Vorschläge abzulehnen. Stellen Sie beide Formulierungen nebeneinander. Die Differenz zwischen der Steuerschuld einer kinderlosen Familie und der einer Familie mit zwei Kindern wird in der ersten Version als eine Steuersenkung und in der zweiten als eine Steuererhöhung beschrieben. Wenn man will, dass die Armen in der ersten Version die gleiche (oder eine größere) Vergünstigung für Kinder erhalten wie die Reichen, dann muss man auch wollen, dass die Armen für Kinderlosigkeit mindestens den gleichen Zuschlag bezahlen wie die Reichen.
Wir sehen System 1 in seinem Element. Es erzeugt eine sofortige Antwort auf eine Frage über die Reichen
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