Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
Überzeugungen und Präferenzen. 1 Hier eines der von uns benutzten Beispiele:
Würden Sie eine Lotterie eingehen, die eine 10-prozentige Chance, 95 Dollar zu gewinnen, und eine 90-prozentige Chance, 5 Dollar zu verlieren, bietet?
Würden Sie 5 Dollar bezahlen, um an einer Lotterie teilzunehmen, die eine 10-prozentige Chance, 100 Dollar zu gewinnen, und eine 90-prozentige Chance, nichts zu gewinnen, bietet?
Nehmen Sie sich zunächst einen Moment Zeit, um sich selbst davon zu überzeugen, dass die beiden Probleme identisch sind. In beiden müssen Sie sich entscheiden, ob Sie eine unsichere geldwerte Aussicht ( prospect), die Sie entweder um 95 Dollar reicher oder um 5 Dollar ärmer machen wird, akzeptieren sollen. Jemand, dessen Präferenzen realitätsgebunden sind, würde beide Fragen gleich beantworten, aber solche Personen sind rar. Tatsächlich erhält eine Version viel mehr positive Antworten: die zweite. Ein schlechtes Ergebnis ist viel akzeptabler, wenn es als die Kosten eines Lotterieloses dargestellt wird, das keinen Gewinn erzielt hat, als wenn es nur als Verlieren einer Wette beschrieben wird. Das sollte uns nicht überraschen: Verluste rufen stärkere negative Gefühle hervor als Kosten . Wahlen sind nicht realitätsgebunden, weil System 1 nicht realitätsgebunden ist.
Das von uns konstruierte Problem wurde von dem beeinflusst, was wir von Richard Thaler gelernt hatten: Er sagte uns, dass er als Student an seiner Tafel eine Karte befestigt hatte, auf der stand: »Kosten sind keine Verluste.« In seinem frühen Aufsatz über das Verbraucherverhalten beschrieb Thaler die Debatte darüber, ob Tankstellen erlaubt werden sollte, unterschiedliche Preise für Einkäufe zu verlangen, je nachdem, ob sie bar oder mit der Kreditkarte bezahlt wurden. 2 Die Kreditkartenlobby setzte sich konsequent dafür ein, eine Preisstaffelung zu verbieten, aber sie hatte eine Auffangposition: Die Preisstaffelung sollte, falls sie erlaubt sein würde, als Barrabatt, nicht als Kreditkartenaufschlag beschrieben werden. Ihre psychologische Intuition war ganz richtig: Verbraucher werden eher auf einen Abschlag verzichten als einen Aufschlag bezahlen. Beides mag ökonomisch äquivalent sein, aber es ist nicht emotional äquivalent.
In einem eleganten Experiment verband ein Team von Neurowissenschaftlern am University College London eine Studie über Framing-Effekte mit Aufzeichnungen der Aktivität in verschiedenen Hirnarealen. Um zuverlässige Messwerte der Hirnaktivität zu erhalten, bestand das Experiment aus vielen Versuchsdurchgängen. Abbildung 14 veranschaulicht die beiden Etappen eines dieser Versuche.
Zunächst soll sich die Versuchsperson vorstellen, dass sie einen bestimmten Geldbetrag erhalten hat, in diesem Beispiel 50 Pfund. Anschließend soll die Versuchsperson zwischen einem sicheren Ergebnis und einer Glücksrad-Lotterie wählen. Wenn das Glücksrad auf Weiß stehen bleibt, »erhält« sie den gesamten Betrag; wenn es auf Schwarz stehen bleibt, geht sie leer aus. Das sichere Ergebnis ist nichts anderes als der Erwartungswert der Lotterie, in diesem Fall ein Gewinn von 20 Pfund.
Abbildung 14
Wie gezeigt, lässt sich das gleiche sichere Ergebnis auf zwei verschiedene Weisen formulieren: als »behält 20 Pfund« oder als »verliert 30 Pfund«. Die objektiven Ergebnisse sind in beiden Frames genau gleich, und ein realitätstüchtiger Econ würde auf beide in der gleichen Weise reagieren – entweder die sichere Alternative oder, unabhängig vom Frame, das Glücksspiel wählen –, aber wir wissen bereits, dass das menschliche Gehirn nicht realitätsgebunden ist. Annäherungs- oder Vermeidungstendenzen werden durch Worte ausgelöst, und wir erwarten, dass System 1 der sicheren Option zuneigt, wenn sie als »behalten« beschrieben wird, und dieselbe Option eher ablehnt, wenn sie als »verlieren« formuliert wird.
Das Experiment bestand aus vielen Einzelaufgaben, und jedem Probanden wurden mehrere Wahlprobleme im »Behalten«- und »Verlieren«-Format dargeboten. Erwartungsgemäß zeigte jede der zwanzig Versuchspersonen einen Framing-Effekt: Sie entschieden sich mit höherer Wahrscheinlichkeit für die sichere Option in dem »Behalten«-Frame und für das Glücksspiel im »Verlieren«-Frame. Aber nicht alle Probanden waren gleich. Einige reagierten hochempfindlich auf die Darstellung des Problems. Andere trafen, unabhängig vom Frame, überwiegend stets wieder die gleiche Wahl – wie es realitätsgebundene
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