Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
dass man leicht fünf disjunkte Ausschüsse mit je zwei Mitgliedern konstruieren kann, während es unmöglich ist, auch nur zwei disjunkte Ausschüsse mit acht Mitgliedern aufzustellen. Wenn die Häufigkeit daher nach der leichten Vorstellbarkeit beziehungsweise nach der Verfügbarkeit für die Konstruktion beurteilt wird, wird es scheinbar mehr kleine als größere Ausschüsse geben, im Gegensatz zu der richtigen glockenförmigen Funktion. Als unbefangene Probanden die Anzahl eigenständiger Ausschüsse verschiedener Größe abschätzen sollten, entsprachen ihre Schätzungen tatsächlich einer abnehmenden monotonen Funktion der Ausschussgröße. 17 So betrug der mittlere Schätzwert für die Anzahl der Ausschüsse mit zwei Mitgliedern siebzig, während die Schätzung für Ausschüsse mit acht Mitgliedern zwanzig war (die richtige Antwort ist in beiden Fällen 45).
Die Vorstellbarkeit spielt eine wichtige Rolle bei der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten in realen Situationen. So wird beispielsweise das Risiko, das mit einer abenteuerlichen Expedition verbunden ist, dadurch beurteilt, dass man sich Eventualitäten vorstellt, für deren Bewältigung die Expedition nicht gerüstet ist. Wenn viele solcher Schwierigkeiten plastisch ausgemalt werden, kann der Eindruck entstehen, die Expedition wäre äußerst gefährlich, obgleich die Leichtigkeit, mit der sich Katastrophen vorstellen lassen, nicht deren tatsächliche Wahrscheinlichkeit widerspiegeln muss. Umgekehrt mag das Risiko, das mit einer Unternehmung verbunden ist, erheblich unterschätzt werden, wenn sich einige potenzielle Gefahren entweder nur schwer anschaulich vorstellen lassen oder wenn sie einem schlichtweg nicht einfallen.
Illusorische Korrelation. Chapman und Chapman 18 haben eine interessante Verzerrung bei der Beurteilung der Häufigkeit, mit der zwei Ereignisse gemeinsam eintreten, beschrieben. Sie präsentierten unbefangen Urteilenden Informationen, die mehrere hypothetische psychiatrische Patienten betrafen. Die Daten für jeden Patienten bestanden aus einer klinischen Diagnose und aus der Zeichnung einer Person, die der Patient angefertigt hatte. Später schätzten die Urteilenden die Häufigkeit, mit der jede Diagnose (wie etwa Paranoia oder krankhaftes Misstrauen) mit unterschiedlichen Merkmalen der Zeichnung (etwa eigentümlichen Augen) verbunden war. Die Probanden überschätzten deutlich
die Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens »natürlicher Assoziationspaare«, wie etwa Argwohn und eigentümliche Augen. Dieser Effekt wurde »illusorische Korrelation« genannt. In ihren fehlerhaften Beurteilungen der Daten, die ihnen dargeboten wurden, entdeckten naive Probanden einen Großteil der weitverbreiteten, aber unbegründeten klinischen Überzeugungen über die Interpretation des Draw-A-Person Test (DAP). Der Effekt der illusorischen Korrelation war extrem resistent gegen widersprechende Daten. Er blieb auch dann bestehen, wenn die Korrelation zwischen Symptom und Diagnose negativ war, und er verhinderte, dass die Urteilenden Zusammenhänge erkannten, die tatsächlich vorhanden waren.
Die Verfügbarkeit bietet eine natürliche Erklärung für den Effekt der illusorischen Korrelation. Die Einschätzung der Häufigkeit des gemeinsamen Auftretens zweier Ereignisse könnte sich nach der Stärke der assoziativen Verknüpfung zwischen ihnen richten. Wenn die Verknüpfung stark ist, wird man vermutlich daraus folgern, dass die Ereignisse häufig paarweise aufgetreten sind. Nach dieser Auffassung ist beispielsweise die illusorische Korrelation zwischen Argwohn und einer eigentümlichen Zeichnung der Augen auf die Tatsache zurückzuführen, dass Argwohn unter allen Körperteilen am ehesten mit den Augen assoziiert wird.
Lebenslange Erfahrung hat uns gelehrt, dass im Allgemeinen Beispiele von großen Klassen besser und schneller abgerufen werden als Beispiele seltenerer Klassen; dass wahrscheinliche Ereignisse leichter vorstellbar sind als unwahrscheinliche; und dass die assoziativen Verknüpfungen zwischen Ereignissen verstärkt werden, wenn die Ereignisse häufig gemeinsam auftreten. Infolgedessen steht dem Menschen ein Verfahren (die Verfügbarkeitsheuristik) zur Verfügung, mit dem er anhand der Leichtigkeit, mit der die relevanten mentalen Operationen – Abruf, Konstruktion oder Assoziation – ausgeführt werden können, die Größe (numerosity) einer Klasse, die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses oder die Häufigkeit des gemeinsamen
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