Schnelles Denken, langsames Denken (German Edition)
Ergebnisse beziehen sich auf reale Geldgewinne), bei Menschenleben als Ergebnissen und bei einer nicht sequenziellen Repräsentation des Zufallsprozesses beobachtet.
Wir führen die Verletzung der Invarianz auf die Wechselwirkung zweier Faktoren zurück: des Framings von Wahrscheinlichkeiten und der Nichtlinearität von Entscheidungsgewichten. Insbesondere nehmen wir an, dass Menschen bei Problem 5 die erste Phase, die unabhängig von der getroffenen Entscheidung das gleiche Ergebnis zeitigt, ignorieren und ihre Aufmerksamkeit auf das konzentrieren, was geschieht, wenn sie die zweite Phase des Spiels erreichen. In diesem Fall haben sie die Wahl zwischen einem sicheren Gewinn, wenn sie sich für Option A entscheiden, und einer 80-prozentigen Gewinnchance, wenn sie die Lotterie vorziehen. Tatsächlich sind die Entscheidungen der Versuchsteilnehmer in der sequenziellen Version praktisch identisch mit den Wahlen, die sie zwischen einem sicheren Gewinn von 30 Dollar und einer 85-prozentigen Chance, 45 Dollar zu gewinnen, trafen. Weil eine sichere Option im Vergleich mit Ereignissen mittlerer oder hoher Wahrscheinlichkeit übergewichtet wird (vgl. Abbildung 2), ist die Option, die möglicherweise zu einem Gewinn von 30 Dollar führt, in der sequenziellen Version attraktiver. Wir nennen dieses Phänomen den »Pseudo-Sicherheitseffekt«, weil ein Ereignis, das faktisch unsicher ist, so gewichtet wird, als wäre es sicher.
Ein eng verwandtes Phänomen lässt sich am unteren Ende des Wahrscheinlichkeitsbereichs nachweisen. Angenommen, Sie sind unentschieden, ob Sie eine Versicherung gegen Erdbeben abschließen sollen, weil die Prämie ziemlich hoch ist. Während Sie noch zögern, legt Ihnen Ihr freundlicher Versicherungsvertreter ein alternatives Angebot vor: »Für die Hälfte der regulären Prämie erhalten Sie einen vollumfänglichen Versicherungsschutz, wenn sich das Erdbeben an einem ungeraden Tag des Monats ereignet. Dies ist ein gutes Geschäft, denn für die Hälfte des Preises erhalten Sie für mehr als die Hälfte der Tage Versicherungsschutz.« Weshalb finden die meisten Menschen solche probabilistischen Versicherungspolicen ausgesprochen unattraktiv? Abbildung 2 legt eine Antwort nahe. Irgendwo im Bereich niedriger Wahrscheinlichkeiten beginnend, wirkt sich eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit von p zu p/2 in viel geringerem Maße auf das Entscheidungsgewicht aus als eine Reduktion von p/2 zu 0. Die Halbierung des Risikos ist daher nicht die Hälfte der Prämie wert.
Die Abneigung gegen probabilistische Versicherungen ist aus drei Gründen bedeutsam. Erstens untergräbt sie die klassische Erklärung von Versicherungen auf der Basis einer konkaven Nutzenfunktion. Gemäß der Erwartungsnutzentheorie sollte eine probabilistische Versicherung definitiv einer normalen Versicherung vorgezogen werden, wenn Letztere gerade akzeptabel ist. 12 Zweitens
repräsentieren probabilistische Versicherungen viele Formen von Schutzmaßnahmen, wie etwa eine ärztliche Vorsorgeuntersuchung, den Kauf neuer Reifen oder den Einbau einer Alarmanlage. Solche Maßnahmen verringern typischerweise die Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses, ohne das Risiko vollkommen auszuschalten. Drittens kann die Akzeptanz von Versicherungen durch das Framing ungewisser zukünftiger Schadensereignisse gezielt beeinflusst werden. Eine Versicherungspolice, die Brand-, nicht aber Hochwasserschäden abdeckt, könnte zum Beispiel entweder als ein vollumfänglicher Versicherungsschutz gegen ein spezifisches Risiko (zum Beispiel Feuer) oder als eine Verringerung der Gesamtwahrscheinlichkeit von Sachschäden beurteilt werden. Abbildung 2 deutet darauf hin, dass Menschen eine Verringerung der Wahrscheinlichkeit eines Schadensereignisses im Vergleich zur vollständigen Beseitigung dieses Risikos deutlich unterbewerten. Folglich sollte eine Versicherung attraktiver erscheinen, wenn sie so dargestellt wird, als würde sie das Risiko vollkommen beseitigen, als wenn sie laut ihrer Beschreibung das Risiko nur verringern würde. Tatsächlich haben Slovic, Fischhoff und Lichtenstein 13 gezeigt, dass ein hypothetischer Impfstoff, der die Wahrscheinlichkeit, sich eine Infektionskrankheit zuzuziehen, von 20 auf 10 Prozent verringert, weniger attraktiv ist, wenn er als in der Hälfte der Fälle wirksam beschrieben wird, als wenn er so dargestellt wird, dass er gegen einen von zwei exklusiven und gleich wahrscheinlichen Virusstämmen mit identischen Symptomen
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