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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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tun.«
    Â»Gott, bist du naiv«, sagt Gabriel. »Was hast du dafür bekommen?«
    Â»Bekommen?«
    Â»Ja, verdammt, bekommen ! Yuri kennt nur zwei Möglichkeiten, wenn es darum geht, etwas von jemandem zu bekommen. Er bedroht dich oder er kauft dich. Also: Was war’s?«
    David schluckt. »Deine … Akte«, sagt er heiser.
    Â»Meine was ?«
    Â»Deine Akte, eine Kopie deiner Akte aus der Psychiatrie.«
    Â»Scheiße«, flüstert Gabriel und sieht David an, sieht in seine Augen, die grün und stumpf sind, ein umgekippter See voller Algen.
    Â»Ich musste es einfach wissen«, sagt David, so leise, als müsste er das nur sich selbst erklären. »Er hat gesagt, dass du geschossen hast, damals … Ich hab dich tausendmal gefragt. Du hast immer nur gesagt, dass du dich nicht erinnerst …«
    Â»Und? Hast du die Akte gelesen?«, fragt Gabriel mit belegter Stimme und weiß, wie überflüssig die Frage ist. Bis eben war er wütend auf David. Und jetzt? Jetzt wartet er nur darauf, dass Davids Zorn über ihn hereinbricht, dass David schreit, auf ihn einprügelt, dass irgendetwas passiert.
    Â»Hab ich«, sagt David und nickt.
    Warum nickt er nur? Warum sagt er nichts?
    Ihre Blicke treffen sich. Sie stehen nicht mehr als zwei Meter voneinander entfernt. Gabriel könnte einen Schritt machen, die Hand ausstrecken, aber es wird immer die Hand bleiben, die geschossen hat. Seit jener Nacht ist etwas zerbrochen zwischen ihnen. Allein schon deshalb, weil er David eingeschlossen hatte und er, Gabriel, derjenige war, der dabei war, der alles erlebt hatte oder erlitten – auch wenn er sich an nichts erinnern kann.
    Und über einen solchen Graben voller Scherben kann niemand hinweg.
    Â»Es wäre einfacher, wenn ich jetzt rumschreien würde, oder?«, sagt David.
    Gabriel sagt nichts. Wäre es, ja, denkt er. Besser Vorwürfe als Selbstvorwürfe.
    Â»Ich bin nur nicht sicher«, sagt David, »ob du wirklich –« Plötzlich bricht er ab. Das metallische Klacken des Türschlosses ist so leise wie das Aufsetzen eines Glases, aber es hat die Wirkung einer Stange Dynamit.
    Gabriel und David fahren gleichzeitig zur Wohnungstür herum.
    Aus dem Schatten des Hausflurs tritt eine dürre Gestalt in die Wohnung, mit einer Waffe in der Hand und einem grauen Hut. Die Wohnzimmerlampe blitzt in den Gläsern der Buchhalterbrille auf, für einen Augenblick kann Gabriel sogar sich selbst und David als zitternde Spiegelung erkennen.
    Â»Yuri«, stöhnt Gabriel.
    Â» Dobri, mein Junge. Gut, dich zu sehen.« Sarkovs Lächeln ist wie der Stich eines Floretts.
    Â»Wie … sind Sie hier reingekommen?«, stammelt David und stiert auf die kompakte Pistole, auf deren Lauf ein runder Schalldämpfer geschraubt ist. Alle Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen.
    Â»Ich hätte es wissen müssen«, murmelt Gabriel zerknirscht.
    Sarkov neigt den Kopf zur Seite, als könnte er sich nicht zwischen einem Nicken und einem Kopfschütteln entscheiden. »Du scheinst neuerdings eine Schwäche für Familienmitglieder zu haben.«
    Â»Was auch immer du von mir willst, Yuri«, sagt Gabriel erschöpft. »Lass David aus dem Spiel.«
    Yuri Sarkovs kalte graue Augen blitzen hinter der Brille. »Hast du nicht eben gesagt, ich würde nur zwei Möglichkeiten kennen, wenn es darum geht, von jemandem Informationen zu bekommen: ihn zu bedrohen oder ihn zu kaufen …« Seine Mundwinkel zucken spöttisch, und er deutet hinter sich, auf die Wohnungstür. »Schlechter Schallschutz, bei so einer teuren Wohnung … Aber was die zwei Möglichkeiten angeht, nun ja, das ist nicht ganz richtig – es gibt noch eine dritte Variante.« Seelenruhig tritt er neben David und hält ihm den Lauf der Waffe direkt in das aschfahle Gesicht. Seine Augen funkeln triumphierend. »Wo ist der Film?«
    Gabriel starrt auf den runden Schalldämpfer, der sich in Davids Wange drückt und seine ganze rechte Gesichtshälfte verformt. Es fühlt sich an, als ob Yuri ein Brandeisen in sein Innerstes drückt, an seine empfindlichste Stelle. Wo ist der Film? Die Frage hallt seltsam in Gabriels Kopf nach, als hätte er sie schon einmal gehört.
    Â»Was für ein Film?«, fragt David mit zittriger Stimme.
    Â»Das wüsste ich auch gerne«, sagt Gabriel. Unten auf der Straße fährt ein Lastwagen

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