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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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macht sie dann hier in diesem abgerissenen Aufzug?«
    Â»Guck mal«, sagt der Große plötzlich erregt und tippt mit seinem Finger auf einen Link am Monitor. »Das gibt’s doch nicht. Die hat ja sogar mal eine Dokumentation über diesen von Braunsfeld gemacht.«
    Â»Du meinst, sie war vielleicht auf Promijagd und hat von Braunsfeld hier gesucht?«
    Â»Blödsinn. Der war doch seit Jahren nicht mehr in dem Chalet. Sagt man jedenfalls.«
    Â»He«, meldet sich der Polizist am Telefon. »Scheint ja wohl falscher Alarm zu sein, oder? Braucht ihr mich noch?«
    Â»Keine Ahnung«, brummt der Kleine unzufrieden in den Hörer. »Wohl eher nicht, jedenfalls nicht da draußen. Jetzt müssen wir uns erst mal um diese Anders kümmern.«
    Â»Ist sie wenigstens hübsch?«
    Â»Ach, halt die Klappe und mach, dass du zurückkommst. Tschau.« Wütend donnert der Kleine den Hörer auf die Gabel. »Kruzifix!«, schimpft er und starrt auf den Monitor mit den Links zu Liz Anders.
    Sein Kollege macht ein nachdenkliches Gesicht. »Weißt du, was ich komisch finde?«
    Â»Nee«, sagt der Kleine.
    Â»Wenn einer wie dieser Victor von Braunsfeld, also einer von diesen Superreichen, sich extra hier in den Bergen ein Chalet baut, warum lässt er dann nicht den Felsen ein Stück weit abtragen, wenn er doch so gerne einen Keller will? Diese Reichen bauen doch sonst immer, was sie wollen, scheißegal, was es kostet.«
    Der Kleine zuckt ratlos mit den Schultern. »Spleen?«
    Â»Und warum lässt er sich überhaupt so ein Chalet bauen, wenn er nie da ist? Ist das auch Spleen?«
    Â»Was weiß ich. Vielleicht so was wie ein Liebesnest, für heimliche Treffen mit dieser Yvette?«
    Â»Von Braunsfeld ist doch über siebzig. Und warum überhaupt heimliche Treffen? Seine Frau ist doch seit Jahren tot, was gibt’s da zu verheimlichen?«
    Der Kleine verzieht das Gesicht, als ob er Zahnschmerzen hat.
    Â»Nie da, keinen Keller, das ist schon irgendwie komisch, oder nicht?«
    Â»Irgendwie schon. Andererseits: Wozu braucht man einen Keller, wenn man nie da ist?«
    Der Große seufzt und sieht auf die Uhr. »Na schön. Was machen wir jetzt mit ihr?«
    Â»Vielleicht noch mal ihren Freund anrufen, diesen …«, der Kleine blickt auf einen Notizblock neben dem Telefon, »Gabriel Naumann.«
    Â»Und noch mal auf die Mailbox sprechen? Was soll das bringen? Der wird sich schon irgendwann melden. Vorausgesetzt, sie ist wirklich mit dem Typen zusammen.«
    Â»Du meinst, sie lügt?«
    Â»Wer weiß das schon. Ich meine, sieh sie dir doch an.«
    Â»Hm. Vielleicht sollten wir mal in Luzern anrufen, in der Klinik«, sagt der Kleine bedächtig. »Die haben doch Erfahrung da mit solchen Fällen, oder?«
    Â»Mit solchen Fällen, meinst du?« Der Große tippt sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe.
    Â»Na ja, wie gesagt: Sieh sie dir doch mal an, dieser ganze Aufzug und so. Und die ganze Sache mit der Wegbeschreibung. 7200 Schritte. Wer zählt so was schon? Höchstens Autisten.«
    Â»Autisten?«
    Â»Hab ich mal gelesen. Autisten haben Wahrnehmungsstörungen. Viele Sachen kriegen die nicht richtig mit, aber dafür können sie zum Beispiel gut zählen, oder sie sagen dir, wie viele Reiskörner in einem Glas sind.«
    Der Große sieht ihn zweifelnd an. »Autistin und Fernsehjournalistin?«
    Â»Hast du ’ne bessere Idee?«
    Der Große schüttelt lahm den Kopf.
    Â»Na schön. Ich kümmere mich um sie, und du rufst da an. Kannst sie ja danach übernehmen. Ich muss dann sowieso weg, meine Frau wird sonst sauer. Sag denen, sie sollen schnell machen.« Seine Hand streicht über den Tresen und greift nach dem Autoschlüssel, den er zuvor dort abgelegt hat, aber die Hand fasst ins Leere. »Sag mal, hast du meinen Autoschlüssel?«
    Der Große unterbricht das Wählen und sieht ihn verständnislos an. »Was hab ich mit deinem Autoschlüssel zu schaffen?«
    Der Kleine runzelt die Stirn, sieht nach draußen, durch die Glasscheibe ins Vorzimmer, und wird fahl wie ein Laken. »Scheiße«, flüstert er. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    Er reißt die Tür auf und starrt die leere Bank an, auf der noch vor wenigen Augenblicken Liz gesessen hat.

Kapitel 42
    Berlin – 25. September, 21:17 Uhr
    Irgendjemand hat den brennenden Horizont

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