Schnitt: Psychothriller
»Offenbar ist sie dein neuer Babysitter.«
»Und wo bitte ist dann Ihr Psychiater?«, schieÃt Shona zurück. »Mit dem würde ich mich gern mal unterhalten!«
Gabriel starrt sie wütend an. »Ich glaube nicht«, sagt er eisig, »dass Sie das wirklich beurteilen können. Also halten Sie einfach die Klappe.«
»Ach ja?«, faucht Shona. »Und was ist, wenn â«
»Shona«, unterbricht David. »Er hat recht. Du hast wirklich keine Ahnung. Bitte lass es.«
Shona sieht David sprachlos an. Ihre Wangen glühen, als hätte ihr jemand eine Ohrfeige verpasst.
Für einen Moment steht alles still.
Dann dreht sich Shona auf dem Absatz um, schwingt sich im Flur den Riemen ihrer Tasche über die Schulter und rauscht aus der Wohnung. Krachend fällt die Tür hinter ihr ins Schloss.
»GroÃartig«, murmelt David. »Herzlichen Dank.«
Gabriel zuckt mit den Schultern. »Ruf sie an, wenn ich weg bin.« Der dumpfe Schmerz in seiner Schulter meldet sich wieder.
»Damit du sie beim nächsten Mal wieder vergraulst? Nein danke! Du bist echt ein Arschloch, weiÃt du das? Kein Wunder, dass dir ständig irgendwelche Leute auf die Pelle rücken.«
»Wie meinst du das?«, fragt Gabriel.
David errötet. Ein seltsamer, undefinierbarer Ausdruck spiegelt sich in seinen grünen Augen.
»Ich hab gefragt, wie du das meinst.«
»Hast du nicht gerade gesagt, du bist überfallen worden?«, sagt David hastig.
Gabriel sieht ihn durchdringend an.
Hörst du das, Luke? , flüstert es drängend in seinem Kopf. Hörst du, wie hoch seine Stimme ist?
Er verschweigt irgendetwas. Irgendetwas ist ihm peinlich.
Peinlich? Er hat Angst, Luke. Er riecht nach Angst.
»Was starrst du mich so an?«, fragt David. Die Hand in seiner rechten Hosentasche ist die ganze Zeit in Bewegung.
Schlechtes Gewissen, schieÃt es Gabriel in den Sinn, er hat Angst und ein schlechtes Gewissen. Aber warum? Gabriel versucht, das aufkommende flaue Gefühl abzuschütteln, und zuckt mit den Achseln. Die lädierte Schulter rächt sich umgehend mit einem stechenden Schmerz, und er verzieht den Mund.
»Was?«, blafft David.
Gabriel schnaubt. »Das sollte ich dich fragen. Was ist los mit dir?«
David streicht fahrig mit der Hand durch seine blonden Haare. »Was soll schon los sein? Es ist wie immer«, sagt David. »Du erzählst wilde Geschichten, und mir ist es unangenehm.«
»Netter Versuch«, sagt Gabriel. »Aber du warst schon immer ein beschissener Lügner.«
Betretenes Schweigen.
Eine Taube flattert vom Geländer vor dem Fenster auf, die weiÃe VogelscheiÃe reflektiert das Licht aus der Wohnung und leuchtet in der Dunkelheit.
»Dein schlechtes Gewissen stinkt zehn Meilen gegen den Wind, kleiner Bruder. Also, was ist passiert?«, fragt Gabriel. Seine blauen Augen sind hart wie Metall.
»Herrgott, was soll schon passiert sein?« Davids Stimme klingt schrill. »Mein Bruder taucht auf wie ein Gespenst aus der Vergangenheit, zieht mich in irgendwelche Machenschaften mit rein, die Bank will mir die Wohnung pfänden, mein Chef schmeiÃt mich plötzlich raus â¦Â«
»Welche Machenschaften? Ich hab dich nicht in irgendwas reingezogen. Ich hab dich nur gebeten nachzusehen, in welchem Krankenhaus Liz liegt.«
»Ich â¦Â« David verstummt.
»Jetzt spuckâs aus, Mensch. Ich seh doch, dass irgendwas ist.«
»Ich hatte ⦠Besuch«, sagt David matt.
Besuch? Gabriel starrt ihn an. Plötzlich ist alles klar. »Er war hier«, flüstert er. »Yuri war hier . Hab ich recht?«
David sieht beiseite.
»Yuri war hier, und du hast ihm gesagt, wo er mich findet. Deswegen hast du so ein scheiÃschlechtes Gewissen.«
Davids Kieferknochen zeichnen sich scharf unter den Wangen ab, er sieht aus, als wollte er eine Zyankalikapsel zerbeiÃen, nur dass ihm dafür der Mut fehlt.
»Woher, verflucht, wusstest du, wo ich bin?«
»Der Schlüssel«, nuschelt David. »Dir ist der Schlüssel aus der Tasche gefallen.«
»Du gottverdammter Idiot«, stöhnt Gabriel.
»Ich ⦠Er ⦠er hat gesagt, dass ihr euch kennt, schon lange. Und dass du ihm etwas gestohlen hast.« SchweiÃperlen glänzen auf Davids Stirn. »Er wollte es zurück, mehr nicht. Er hat gesagt, mehr passiert nicht, er würde dir nichts
Weitere Kostenlose Bücher