Schnittmuster
drückte sie an sich, fühlte ihren warmen Atem unter seinem Kinn, roch den milden Zitronenduft ihres Shampoos. Sie hielt ihn fest. Als ihr Arm sich schlieÃlich entspannte, löste Striker sich sanft von ihr.
»Was wünschst du dir zu Weihnachten?«
»Wieder richtig laufen zu können, wäre nicht das Verkehrteste.«
Er lachte laut und befreit, kniff sie zärtlich in die Wange. »Ich liebe dich, Kleines.«
»Ich dich auch, Dad.«
Er nahm ihren Koffer aus dem Schrank, half ihr vom Bett in den Rollstuhl.
»Los, komm«, sagte er weich. »Wir verschwinden. Wir fahren nach Hause.«
102
Striker hatte Courtney gerade auf dem Beifahrersitz seines Honda CR-V angeschnallt, als das Geräusch quietschender Reifen durch die Tiefgarage hallte. Er blickte sich forschend um, entdeckte einen kleinen Wagen, der um die Ecke des Parkdecks geschossen kam. Instinktiv tastete er nach dem Holster, umschloss den Griff seiner Pistole. Aus der Nähe betrachtet, entpuppte sich der Flitzer als ein silberner Volvo.
Der Wagen von Laroche.
Der Volvo kam drei Meter vor ihm zum Halten, und Striker lieà die Hand von der Waffe gleiten. Der DC sprang raus und knallte wütend die Autotür zu.
»Striker!«, tobte er.
»Das ist ein Krankenhaus, Sir â das Irrenhaus ist ein paar Blocks weiter.«
In Zivilkleidung sah Laroche noch unscheinbarer aus als in seiner Uniform. SchweiÃperlen liefen über sein Gesicht, lieÃen seine ungesund weiÃe Haut noch kränklicher erscheinen. Er stürmte zu Striker, seine Hände zu Fäusten verkrampft.
»Sie waren das, stimmtâs?«, blökte er.
»Ich, Sir?«
»Ich weià genau, dass Sie das gewesen sind, Striker!«
»Ich hab echt keine Ahnung, wovon Sie sprechen, Sir.«
»Ihre Beschwerde an den Personalrat. Die Kritik an meiner Arbeit an dem Fall mit dem Amoktäter.« Als Striker beharrlich schwieg, fuhr Laroche aufgebracht fort: »Ich werde degradiert, Striker. Degradiert! Sie haben meinen Ruf als Chief ruiniert. Mich und meine gesamte Karriere ruiniert!«
»Wie bedauerlich für Sie, Sir.«
Laroches Augen verdunkelten sich, und sein bleiches Gesicht lief ungesund rot an. »Sie denken, ich wüsste das nicht, dass Sie das gewesen sind, Striker? Sie denken wohl, dass ich ein Idiot bin, was?«
»Denken, Sir?«
Laroche fluchte laut, drohte ihm mit dem erhobenen Zeigefinger. »Das werden Sie mir büÃen, Striker. Und wenn es mich den Rest meiner verdammten Polizeikarriere kosten sollte.«
Striker wartete, bis Laroche sich abreagiert hatte, dann sagte er ruhig: »Darf ich Ihnen mal einen guten Rat mit auf den Weg geben, Superintendent? Wenn Sie in einem Pferdestall sind, suchen Sie nicht nach Zebras. Sie werden bloà mehr Pferde finden.«
Daraufhin schwenkte Striker herum, lieà Laroche stehen und stieg in den CR-V. Eine kurze Weile später brauste er mit Courtney aus der Tiefgarage in einen strahlend schönen Wintertag. Courtney kam wieder nach Hause. Felicia kam zum Abendessen. Und Laroche hatte endlich sein Fett weg. Striker atmete tief und zufrieden durch.
Was wollte ein Mann mehr?
103
Drei Stunden später saà Striker auf dem Beifahrersitz des als Zivilwagen getarnten Polizeifahrzeugs. Felicia fuhr. Die Sonne schien von einem wolkenlosen kristallblauen Himmel â ein Wintertag wie gemalt. Courtney war zu Hause und machte Ãbungen mit ihrem Bewegungstherapeuten, folglich hatten sie ein bisschen Zeit für sich.
Sie brausten über die First Avenue und den Trans Canada Highway zur Ironworkersâ Bridge. Während der Fahrt erzählte Felicia von einigen Veränderungen, die im Morddezernat angedacht waren, und den üblichen Klatsch und Tratsch, wer mit wem in die Federn stieg â ein unerschöpfliches Thema im Dezernat.
Striker hörte nur mit einem Ohr zu. Er war tief in Gedanken und sterbensmüde. Seit dem Schusswechsel auf der Brücke hatte er verdammt wenig Schlaf bekommen. Weil er den Kopf voll hatte mit Hypothesen und Theorien. Einiges war hinlänglich geklärt, anderes würde vermutlich immer im Dunkeln bleiben.
Ganz ohne Zweifel waren Tran und Shen Sun Soone zwei der drei Amoktäter an der St. Patrickâs High School gewesen, und sie hatten Sherman Chan als dritten rekrutiert. Soweit Striker das Tatgeschehen rekonstruieren konnte, hatte Tran zu den Planern des Massakers gehört, es war jedoch nie
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