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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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damit um. Wenn mich ein Familienmitglied belügt, bin ich schwer getroffen. Ehrlichkeit ist für mich die Basis des Zusammenlebens. Und Vertrauen. Vertrauen bedingt Ehrlichkeit. Also, warum verstehen die anderen nicht, wie wichtig es ist, ehrlich zu sein? In dieser Beziehung habe ich vor allem die Pubertät unterschätzt. Bis Anna zwölf, nein, bestimmt vierzehn war, hatten wir eine wunderbare Mutter-Tochter-Beziehung. Eine befreundete Psychologin meinte, das sei ungesund. Ein Mädchen muss sich von der Mutter abnabeln. Okay, aber wie sieht denn das in der Praxis aus? Keine Ahnung. Anna ist meine ältere und damit erste Tochter. Da habe ich zum Beispiel nicht sofort bemerkt, wie es im Gymnasium bergab ging. Sicher habe ich diese und jene schlechte Note mitbekommen, aber wenn ich mich mit Anna unterhalten habe, hat sie mich immer überzeugt, dass sie das noch hinkriegt. Die Lehrer haben uns leider erst spät informiert. Ich glaube, die waren selbst überrascht. Na ja, Annas Umweg über die Realschule bis zur Fachhochschulreife auf einem anderen Gymnasium war die Rettung. Aber die Phase mit ihr hat mir gezeigt, dass man in der Pubertät auf alles gefasst sein muss, auch darauf, dass Kinder einen anlügen, die vorher sehr wahrheitsliebend waren. Ich muss zugeben, mit der Wahrheit nehme ich es sehr genau. Bei Lügen könnte ich ausrasten.
    Wie es nun bei Meike wird, kann ich nicht einschätzen. Sie hat sehr strenge Prinzipien. Sie verachtet Jugendliche, die trinken und rauchen. Aber das hat Anna mit vierzehn auch noch getan, und später hat sie selbst damit angefangen. Außerdem findet Meike sich selbst schrecklich, da kann ich sagen, was ich will. Jetzt hat sie ihr wunderbares hellblondes Haar schwarz gefärbt. Das war ein Schock. Aber wenn Meike dadurch zufriedener wird … und im Kontrast zu ihren hellen Augen sieht es interessant aus.
    Aber Meike wird nicht zufriedener mit sich. Ich kenne das. Ich selbst fand mich auch hässlich in dem Alter. Bei Anna war es auch nicht anders. Wüsste ich doch bloß, wie man ein Mädchen vor diesem Schmerz bewahrt. Ich kann alle Vorzüge aufzählen, ich kann sagen, du bist wunderbar, so wie du bist. Meike glaubt mir nicht. Meine Eltern haben mir nie gesagt, dass ich in Ordnung bin, so wie ich bin. Meine Mutter half mir nicht mit dem Frausein. Bis zur Pubertät wollte ich immer ein Junge sein, der Übergang war nicht so einfach. Ich habe meine Mutter bewundert und gedacht, da komm ich sowieso nie heran. Für meinen Vater war ich die größte Enttäuschung, das hat er mir gesagt, als ich neunzehn war, da saß ich gerade mit meinem damaligen Verlobten in meinem Zimmer. Also habe ich gedacht, wenn ich meinen Kindern vermittele, dass ich sie mag, so wie sie sind, müssten sie eine andere Art Selbstbewusstsein aufbauen als ich zu meiner Zeit. Aber so einfach ist das nicht. Sie gehen durch die gleiche Hölle und ich verstehe nicht wieso. Warum ist es leichter, meinen Schülern und Schülerinnen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen als meinen eigenen Kindern?
    Meike
    Lange schwarze Haare! Zugegebenermaßen sind meine Haare nicht pechschwarz, denn eine Packung Tönungsmittel war wohl doch nicht ausreichend für meine Haarlänge. Aber das macht nichts, sie sind nun immerhin eher schwarz als irgendetwas anderes, und das reicht mir. Meine Mitschüler fragen, wieso ich meine Haare gefärbt habe und scheinen es weniger gut zu finden. Was geht die das an, was ich mit meinen Haaren mache? Und warum machen die sich bloß alle über eine Haarfarbe solche Gedanken? Nach spätestens sechs Wochen sind meine Haare ohnehin wieder blond. Auch meine Mutter war gegen diese Aktion. Aber ich habe gar kein Interesse daran, mir immer wieder sagen zu lassen, wie ich mich kleiden, schminken oder mit welcher Haarfarbe ich herumrennen soll. Ich verstehe nicht, weswegen Eltern sich immer einmischen müssen und einen nicht einfach machen lassen können. Meine Mutter hat mich in diese dämliche Welt gepresst und will nun weiterhin über mich bestimmen? Dann hätte sie mich in ihrem Bauch behalten müssen.
    Die Frage nach dem Warum nervt mich am meisten. Sie ist so unglaublich überflüssig.
    »Warum willst du deine schönen blonden Haare schwarz färben?«
    »Na, ich will es nun mal.«
    »Ja, aber warum denn?«
    Meine Güte! Warum ist die Banane krumm? Was soll der Quatsch, wenn ich etwas will, ist der Grund, warum ich es will, irrelevant! Das geht niemanden etwas an. Selbst wenn es ein Scheißgrund wäre, selbst wenn

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