Schnitzelfarce
Schneckenburger am Michaelerplatz Ausschau nach dem Taxi
mit seinem Freund hielt, musste dieser an der Polizeiabsperrung am Graben
heftig Überzeugungsarbeit leisten.
»Hören Sie«, redete er auf den hünenhaften Ordnungshüter ein,
der partout nicht einsehen wollte, dass das grundsätzliche Zugangsverbot für
ihn nicht gelte.
»Mein Name ist Palinski und ich werde dringend im Hotel
erwartet«, beschwor er den Polizisten.
»Des saugt a jeda«, meinte der ungerührt. »I man net des mit’n
Spalinski«, diese Variante war noch neu, »sondan des mit’n dringend erwoatet
wern, dau miassns Ihna scho wos bessas eifoin lossn .«
Dem Mann konnte geholfen werden. Flugs zog Palinski seinen schon
längst ungültigen, aber nach wie vor sehr nützlichen Presseausweis aus der
Tasche. Den hielt er dem strengen Auge des Gesetzes hin, wohl darauf achtend,
dass der Daumen das Gültigkeitsdatum abdeckte.
Das Auge war besser als erwartet und sah sich den Ausweis sehr
genau an, leider auch das Ablaufdatum.
»Der Schmäh is scho bessa, oba no net guat gnua. Oiso, liaba Hea
Schlawinski, wos moch ma mit Ihna? Woins weida gen oda soima an Widastaund gegn
die Stautsgewoit draus mochn ?«
Palinski gewann langsam den Eindruck, dass ihn der Mann häkeln
wollte, wie man in Wien zu »auf die Schaufel nehmen« sagt. Oder noch schlimmer,
echte Schwierigkeiten machen könnte.
»Aber ich bin doch Palinski«, brüllte er los, in der Hoffnung,
dass einer der umstehenden Polizeibeamten vielleicht die Fernsehnachrichten
gesehen hatte.
Während es an dem einen Ende des Kohlmarktes hieß: »Wer ist
Palinski ?« , lautet die Parole am anderen: »Wo ist
Palinski?« Ministerialrat Schneckenburger wurde langsam richtig nervös, denn
sein Minister hatte gerade wieder telefonisch nachgefragt und wirkte langsam
ungeduldig. Das verhieß nichts Gutes, wirklich nicht.
Inzwischen stand Palinski knapp vor seiner ersten Verhaftung.
Der eben dazu gekommene Polizeimajor war mindestens so stur wie sein
Untergebener, aber mit viel weniger Humor gesegnet.
»Ich warne Sie ein allerletztes Mal, Herr Palinski, entweder Sie
gehen jetzt weiter oder Sie verbringen die Nacht in der Liesl ⁱ .«
Immer wenn die Not am größten ist, ist Gott
am nächsten, lautet eine der viel versprechenden Tröstungen für gläubige
Menschen. Palinski würde später noch öfter darüber nachdenken, angesichts
dessen, was jetzt geschah.
Sein Handy läutete und es war Josef. Pardon, das war ja nicht
privat, also es war der Herr Innenminister.
»Sagen Sie, Palinski, wo stecken Sie eigentlich ?« Die Stimme des hohen Herrn klang äußerst ungeduldig, um
nicht zu sagen ungnädig.
»Es tut gut, deine Stimme zu hören, Josef .« So ähnlich mussten sich die tapferen Verteidiger von Fort William gefühlt haben
als die U.S.-Kavallerie am Horizont auftauchte. Endlich.
»Ich bin hier an der Absperrung Graben und werde von deinen
Häschern nachhaltig am Weitergehen gehindert .«
»Gib mir sofort den diensthabenden Beamten«, knurrte der
Minister.
Der Polizeimajor war auf einmal mindestens 3 Zentimeter größer.
So stramm stand er plötzlich, nachdem er seinen Gesprächspartner erkannt hatte.
»Jawohl. Natürlich, nur unsere Pflicht. Selbstverständlich,
sofort.«
Der Major reichte Palinski das Handy. Dann salutierte er vor dem
offensichtlichen Freund des Ministers, wie das nie jemand zuvor getan hatte
oder auch danach noch tun sollte. »Ich bedauere außerordentlich, Herr Doktor,
aber ich konnte wirklich nicht wissen, dass ...«
»Schon gut. Stehen Sie bequem .« Palinski konnte sich einen großmütig-arroganten Ton nicht ganz verkneifen. »Sie
haben ja nur Ihre Pflicht getan .« Gönnerhaft klopfte
er dem Uniformierten auf die Schulter und wandte sich zum Gehen.
»Des woa jetzt oba a klassa Schmäh, oda ?« ,
rief er dem ersten Beamten im Abgehen noch zu. Der salutierte nicht, sondern
grinste nur über das ganze Gesicht und winkte Palinski lässig zu. Wie schön,
ein Mensch, dachte sich dieser.
* * * * *
Zunächst hatte Wilma nicht gewusst, was sie von
all dem halten sollte. Da stand doch tatsächlich ihr Sohn, ihr kleiner Harry
vor ihrem Krankenbett und hielt um ihre Hand an. Im Namen seines Vaters, dieses
unmöglichen Men-schen. Na ja, eigentlich war Palinski schon in Ordnung, ein wenig
sonderbar, schrullig, aber durchaus liebenswert. Zwei Kinder und 24 Jahre
gemeinsam nicht verheiratet zu sein, das verband schon sehr. Aber
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