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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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seines Jacketts und zündete sich eine davon an – er hatte Streichhölzer bei sich, kein Feuerzeug –, dann steckte er die Zigaretten wieder ein und fuhr fort, seine Taschen zu durchsuchen. In der Innentasche fand er ein schmales Etui mit goldenem Füllhalter und Bleistift, dahinter ein kleines schwarzes Notizbuch und einen Fahrplan für den Harlemer Abschnitt der New York Central. Auf den Fahrplan warf er nur einen kurzen Blick – er rief nichts in ihm wach – und öffnete dann das kleine schwarze Buch, in der Erwartung, es voller Namen und Adressen zu finden, enttäuscht, als er es leer fand. Nur auf der ersten Seite stand in einer Handschrift, die er nicht erkannte: MO 6-2367. Ohne zu überlegen, zog er den Füllhalter aus der Tasche, schraubte die Feder heraus und schrieb unter die Zeichen MO 6-2367, die er für eine Telefonnummer hielt, noch einmal das gleiche – MO 6-2367. Die Handschrift, die er nicht erkannt hatte, war seine eigene; beide Eintragungen glichen einander. Er steckte Buch, Fahrplan und Füllhalter wieder in die rechte Innentasche, griff dann in die linke und fand nichts. Die linke Außentasche des Jacketts war gleichfalls leer; in der rechten fand er zwei eingerissene Kinokarten. Ob es alte Karten waren oder ob er am vergangen Abend in einem Kino gewesen war, wußte er nicht; sein gelassenes Denken registrierte indessen, daß es zwei Karten waren. Jedenfalls war er nicht allein im Kino gewesen. Er steckte zwei Finger in die Uhrtasche seiner Hose, in der Erwartung, nichts zu finden, und stieß zu seiner Überraschung auf zwei kleine Gelatinekapseln mit weißem Pulver. Was sie enthielten, weshalb er sie bei sich trug, wußte er nicht. Er ließ sie wieder in die Uhrtasche gleiten.
    Noch ein paar Augenblicke saß er ruhig da und überlegte. Zuerst mußte er nun die Nummer im schwarzen Buch anrufen, wenn es überhaupt eine Telefonnummer war. Aber was konnte es anderes sein? Das Buch war offensichtlich neu, überlegte er; es mußte eine wichtige Nummer sein, wenn er sie als erste und einzige Eintragung hineingeschrieben hatte. Seine eigene Nummer konnte es nicht sein; wer notierte sich schon die eigene Telefonnummer? Es sei denn, er wäre erst kürzlich umgezogen, hätte ein neues Telefon und wäre mit der Nummer noch nicht vertraut; in diesem Fall hätte er die Nummer notieren können, um sie nicht zu vergessen. Eine reichlich vage Möglichkeit, wie ihm schien, doch mußte man sie in Erwägung ziehen. Er verdrängte sie in den Hintergrund seines Bewusstseins, dorthin, wo er allmählich einen Wissensbestand über diesen Menschen, der er selbst war und den er nicht kannte, abzulagern begann. Einen spärlichen Bestand bestenfalls; immerhin wußte er bereits, daß er einen goldenen Ring an der rechten und nicht an der linken Hand trug, was darauf schließen ließ, daß er nicht verheiratet war. Außerdem wußte er, daß G.V. ihm den Ring geschenkt hatte, er wußte weiter, daß er goldene Manschettenknöpfe trug, eine goldene Krawattennadel und einen anständigen Anzug. Er öffnete das Jackett und warf einen Blick auf das eingenähte Etikett. De Pinna. Ein teurer Anzug. Wer er auch sein mochte, er war kein Habenichts. Die Feststellung, daß er sich goldene Manschettenknöpfe, eine goldene Krawattennadel und einen Anzug von De Pinna leisten konnte, gab Sicherheit. Es sei denn, alle diese Dinge wären, wie der goldene Ring, Geschenke von G.V. wer das auch sein mochte; und wenn es so war …
    Er verbot seinem Denken ein benommenes Kreisen, das endlos und gefährlich schien. Zuerst mußte er die Nummer anrufen. Abermals zog er das schwarze Buch aus der Tasche und schlug die erste Seite auf, wo die beiden Nummern untereinander standen, die eine schon vorhanden, als er das Buch zum ersten Mal öffnete, die andere, die er geschrieben hatte, um die Handschrift zu prüfen. MO 6-2367. Schön, als erstes würde er nun diese Nummer anrufen; und doch hatte er das Gefühl, daß dieser Anruf nicht dringend war, daß er dabei nicht mehr über sich selbst erfahren würde, als er bereits wußte.
    Außerdem hatte er kein Geld.
    Er hatte überdies keine Uhr, ein Umstand, der, verbunden mit dem Fehlen seiner Brieftasche und sogar kleiner Münzen, zu der Vermutung führen konnte, er sei das Opfer eines Raubüberfalls. Doch waren weder seine Manschettenknöpfe noch seine Krawattennadel gestohlen. Hätte ein Dieb Brieftasche, Uhr und Kleingeld genommen, ohne sich an Schmucksachen zu vergreifen? Gab es überhaupt einen

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