Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
Vom Netzwerk:
schier von Sinnen, über drei Leiber herfielen und das Fleisch von den Knochen schälten.
    Dorsett, Betsy und der Großteil der anderen Frauen brachten es nicht über sich, vom Fleisch der Toten zu zehren, obwohl auch sie von den ständigen Hungerqualen geschwächt waren.
    Am Nachmittag ging ein kurzer Regenschauer nieder und stillte ihren Durst, doch der nagende Hunger ließ nicht nach.
    Ramsey kam zu ihnen und wandte sich an Dorsett. »Der Käpt’n möchte dich sprechen.«
    Der Wegelagerer begleitete den Ersten Offizier zu Scaggs, der an den hinteren Masten gebettet war und sich von Dr. Gorman mit einem zerfetzten Hemd den Brustkorb verbinden ließ. Der Schiffsarzt ließ jede Leiche ausziehen, ehe sie über Bord gewälzt wurde, und benutzte die Kleidung der Toten als Verbandsmaterial. Mit angespannter, schmerzverzerrter Miene blickte Scaggs zu Dorsett auf.
    »Ich wollte Euch für die rechtzeitige Warnung danken, Mr. Dorsett. Ich wage zu behaupten, daß die wenigen ehrlichen Menschen, die noch auf diesem Höllenfloß verblieben sind, ihr Leben einzig Euch verdanken.«
    »Ich habe zwar ein lasterhaftes Leben geführt, Käpt’n, aber ich lasse mich nicht mit stinkendem Pöbel ein.«
    »Wenn wir Neusüdwales erreichen, werde ich mich beim Gouverneur nach besten Kräften dafür einsetzen, daß man Euer Urteil mildert.«
    »Mein Dank ist Euch gewiß, Käpt’n. Ich stehe Euch zu Diensten.«
    Scaggs betrachtete das kleine Messer, das in Dorsetts Schärpe steckte. »Ist das Eure einzige Waffe?«
    »Ja, Sir. Letzte Nacht hat sie sich wunderbar bewährt.«
    »Gebt ihm einen Säbel«, sagte Scaggs zu Ramsey. »Wir sind noch nicht fertig mit dem Pack.«
    »Ganz meine Meinung«, versetzte Dorsett. »Ohne Jake Huggins werden sie nicht mehr so angriffslustig sein, aber sie sind vor Durst zu sehr von Sinnen, um aufzugeben. Nach Einbruch der Dunkelheit werden sie es erneut versuchen.«
    Seine Worte sollten sich als prophetisch erweisen. Außer sich vor Nahrungs- und Wassermangel, griffen die Sträflinge zwei Stunden nach Sonnenuntergang ein weiteres Mal an. Wieder stürzten sich die ausgezehrten Gestalten unter wildem Hauen und Stechen aufeinander, und wieder sanken die Leiber der in erbittertem Nahkampf niedergestreckten Sträflinge, Soldaten und Seeleute übereinander. Doch diesmal war der Ansturm weit weniger heftig als in der Nacht zuvor.
    Die Sträflinge, die mittlerweile einen weiteren Tag ohne Nahrung und Wasser auf dem Floß verbracht hatten, waren nicht mehr so entschlossen, und plötzlich erlahmte ihr Widerstand und brach gänzlich zusammen, als die Verteidiger zum Gegenangriff ansetzten. Die entkräfteten Sträflinge hielten inne und torkelten dann zurück. Scaggs und seine getreuen Seeleute stießen daraufhin auf ihre Front vor, während Dorsett ihnen mit den wenigen Überlebenden aus Sheppards Abteilung in die Flanke fiel. Zwanzig Minuten später war alles vorbei.
    Fünfzig Menschen starben in dieser Nacht. Als der Tag dämmerte, waren nur noch fünfundzwanzig Männer und drei Frauen am Leben: sechzehn Sträflinge, darunter Dorsett, Betsy und zwei weitere Frauen, zwei Soldaten und zehn Besatzungsmitglieder der
Gladiator,
unter anderem Kapitän Scaggs. Ramsey, der Erste Offizier, war unter den Toten. Der Schiffsarzt Gorman war tödlich verwundet und starb im Laufe des Nachmittags. Dorsett hatte eine klaffende Fleischwunde am rechten Oberschenkel erlitten, und Scaggs hatte sich neben den Rippen auch noch das Schlüsselbein gebrochen. Betsy hingegen war wie durch ein Wunder mit ein paar Prellungen und Abschürfungen davongekommen.
    Die Meuterer allerdings waren geschlagen. Kein einziger war unverletzt geblieben, und sie hatten gräßliche Wunden erlitten.
    Die Schlacht um das Floß der
Gladiator
war geschlagen.
    Am zehnten Tag ihrer gräßlichen Irrfahrt waren sechs weitere Leidensgenossen tot. Zwei junge Burschen, ein Schiffsjunge, höchstens zwölf Jahre alt, und ein sechzehnjähriger Soldat, hatten sich über Bord gestürzt und den Freitod im Meer gewählt.
    Die vier anderen waren Sträflinge, die ihren Verletzungen erlagen. Teilnahmslos sahen die Überlebenden zu, wie ihre Reihen schrumpften. Es war wie ein Fiebertraum, der mit jedem weiteren sengenden Sonnentag wiederkehrte.
    Am zwölften Tag waren sie nur noch achtzehn. Sie waren in Lumpen gehüllt, mit schwärenden Wunden übersät, die Gesichter sonnenverbrannt, die Haut von den ewig schwankenden Planken zerschürft und vom Salzwasser angegriffen. Mit leerem

Weitere Kostenlose Bücher