Schön und ungezähmt
ziemlich gut gelaufen, dachte Brianna und zog die Nadeln aus ihrem Haar. Sie war erschöpft, doch für den Rest der Landpartie voll guter Hoffnung. Es hatte diesen unglücklichen Augenblick gegeben, als einem der Lakaien ein ganzes Tablett mit saurem Fisch auf den teuren Teppich gefallen war.
Dennoch musste sie bei der Erinnerung daran lächeln, als sie die Haarnadeln in die kleine Kristallschale legte.
Der arme, junge Mann war wie erstarrt gewesen, weil er in Gegenwart seines Arbeitgebers so ungeschickt war. Aber Colton hatte nur einem der anderen Lakaien gewunken, dass er dem jungen Mann half, alles so gut wie möglich zu beseitigen. Dann setzte er seine Unterhaltung mit Lord Emerson fort, als wäre nichts passiert. Höchstwahrscheinlich würde man den Teppich austauschen müssen, aber es war offensichtlich, dass Colton solche Dinge in seinem Leben kaum wahrnahm und einfach für einen neuen Teppich bezahlen würde.
Das war etwas, das sie so sehr an ihm liebte. Er nahm seine Verantwortung sehr ernst, und das betraf auch sein Personal. Obwohl sie bezweifelte, dass es ihm auffiel, behandelte ihn der Haushalt doch mit einer Mischung aus Bewunderung und Ehrfurcht. Er war nicht einer von diesen hochmütigen Aristokraten, die sich über jeden anderen aufschwangen, obgleich er das bestimmt tun konnte, wenn er wollte. In gewisser Weise war er unerreichbar, aber das lag nur an seiner reservierten Natur. Es war keine bewusste Entscheidung, dass er sich so zurückhielt. Er dankte den Dienern gewohnheitsmäßig ebenso höflich, als spräche er mit seinen adeligen Freunden.
Sie warf einen Blick auf die Uhr auf dem Kaminsims. Es war spät geworden. Den ganzen Tag über waren Gäste angekommen, dann hatte es nachmittags die Teegesellschaft gegeben, der sich ein vorzügliches Dinner anschloss, vor dem Lord Knightly die Gruppe noch mit einer Darstellung verschiedener Passagen aus Hamlet erfreut hatte. Jeder schien die Zeit zu genießen. Sogar Colton.
Ob er heute Nacht zu ihr kam?
Vielleicht war er zu müde. Schließlich war er früh aufgestanden und hatte Stunden in seinem Arbeitszimmer verbracht, ehe sich die Familie zum Mittagessen versammelte, und …
Die Tür öffnete sich.
In einem dunkelblauen Seidenmorgenrock betrat ihr Mann ihr Schlafzimmer. Die wenigen Kerzen, die sie hatte entzünden lassen, verbreiteten nur wenig Licht in dem großen Raum. Darum beobachtete Brianna, wie sein Blick zum leeren Bett glitt und erst dann zum Frisiertisch, wo sie im Halbdunkel saß. Sie drehte sich zu ihm um und lächelte. Sie hoffte, ihm fiel nicht auf, wie die Haarbürste in ihrer Hand plötzlich zitterte.
Allein seine Gegenwart hatte diese Wirkung auf sie. War so beeindruckend, dass sie zitterte. »Ich habe gerade überlegt, ob ich Euch vielleicht noch heute Abend sehe, Euer Gnaden.«
»Ob du mich siehst?« Seine Brauen hoben sich. »Ich vermute, so kann man es wohl auch ausdrücken.« Er kam zu ihr herüber und legte seine Hände auf ihre Schultern. »Ich habe eher gehofft, du würdest dir wünschen, mich in deinem Schlafzimmer zu sehen, Madam.«
»Immer«, antwortete Brianna ergriffen.
Sein seltenes Lächeln erhellte sein Gesicht. »Es ist schmeichelhaft, so sehr willkommen zu sein.«
»Ich würde es dir nie verwehren.« Sie hatte das Gefühl, ihr Lächeln, mit dem sie seines erwiderte, geriet etwas zittrig.
Er betrachtete sie schweigend, seine Miene im flackernden, gedämpften Licht undurchdringlich. Dann fragte er ruhig: »Weil du mich willst? Oder weil du das Gefühl hast, es sei deine Pflicht, mir zu erlauben, meine ehelichen Rechte einzufordern?«
Dass er über diese Frage überhaupt nachdachte, war ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Pflicht war eines von Coltons
liebsten Worten, und es war kein Geheimnis, dass er sich seinen Verpflichtungen sehr verbunden fühlte. Brianna stand auf und legte eine Hand gegen seine Brust. Sie spürte unter ihrer Handfläche den starken Schlag seines Herzens durch den Seidenstoff des Morgenrocks. »Bezweifelst du denn, dass ich dich will?« Sie hob eine Braue. »Ich glaube, ich bin diejenige, die sich gelegentlich provokant kleidet, um deine Aufmerksamkeit zu fesseln.«
»Ich erinnere mich.« Seine Antwort war mehr ein Knurren. »Unglücklicherweise weiß das auch jeder andere Mann, der dich an jenem Abend in der Oper gesehen hat. Es war nicht nur meine Aufmerksamkeit, die du so gefesselt hast.«
»Bist du etwa eifersüchtig?«
»Ich weiß nicht. Es fällt mir schwer, meine
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