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SCHÖN!

SCHÖN!

Titel: SCHÖN! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebekka Reinhard
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Fach kompetenz, sondern vor allem wegen ihrer selbstdarstellerischen Befähigungen ein phänomenales Aufmerksamkeitsprivileg genießen. Die grenzenlose Beachtung ist ihnen sicher. Man kann sie ständig hören und sehen, immer und überall winken sie uns zu und lächeln uns entgegen. Die Celebrities sind Meister darin, gute Laune zu verströmen, indem sie Öffentliches mit Privatem vertauschen und Schein als Sein verpacken. Sie zeigen uns, wie man sich stetig zum Besseren, Höheren wandelt, das »Ich« erst zur Marke (s. Kap. 8 ) und dann zum Bestseller macht. Die gelungene multimediale Inszenierung lässt jede Celebrity schön und mächtig erscheinen.
    Am Narzissmus erkrankte Normalmenschen erkennen wir an ihrer Unfähigkeit, die Welt der Celebrities vom wirklichen Leben zu trennen. Sie verwechseln Macht und Schönheit mit Glück. Narzisstische Männer streben danach, sich eine Führungsposition zu sichern und sich mit einer »trophy wife« zu schmücken, einem weiblichen Beiwerk im Barbielook. Narzisstinnen hoffen auf die Heirat mit einem erfolgreichen Unternehmer und lassen sich operieren. Sie glauben allen Ernstes, eine aufgespritzte Oberlippe sei das Tor zu einem glücklichen, sinnvollen Leben. Das Problem ist nur: Dass Schönheit machbar ist, heißt noch lange nicht, dass auch Glück »gemacht« werden kann. Ein glückliches Leben gibt es – anders als Push-up-BHs, Kosmetika und Nasen – nicht von der Stange. Leider ist diese Erkenntnis Narzisstinnen nicht zugänglich. Narzisstinnen sind süchtig nach Glück, sie können nie glücklich genug sein. Dabei ist es ihnen egal, welchen Preis sie für ihr Glück zahlen müssen und wie echt es ist, genauso wie es ihnen egal ist, wie echt sie selbst sind. Was Glück ist, bestimmt eine augenblickliche Laune. Und was »schön« ist, bestimmt der (meist männliche) Operateur: nämlich das, was künstlich erzeugt wird. Künstliche Brüste sind teuer, bewirken aber noch lange kein glückliches Leben. Also wird nachoperiert. Es werden Falten ausgemerzt und Haarverlängerungen angebracht. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Mängel müssen behoben werden. Anstatt des Glücks werden die Minderwertigkeitsgefühle immer größer. Das Endergebnis ist nicht schön: eine bewegungslose, ausdruckslose, austauschbare Maske, deren Ober fläche einer spiegelglatten Skipiste ähnelt (wie Ernest Hemingway einst die rekonstruierten Gesichter von Kriegsversehrten beschrieb) …
    ANGST: Im Zeitalter der Globalisierung bleibt nichts lange so, wie es ist. Vermeintlich sichere Jobs werden über Nacht ausradiert. Technologien sind in dem Moment, in dem sie auf den Markt kommen, schon wieder veraltet. Wenn man in dieser Welt bestehen will, darf man keine Angst zeigen, sondern muss sich ständig neu erfinden. Man muss beweisen, dass man all zeit flexibel, verfügbar, marktfähig ist. Schlappmachen gilt nicht. Man darf sich nicht gehen lassen, man muss fit bleiben. Sonst wird man ausgemustert. Aber so sehr man sich auch bemüht, mit der Veränderung Schritt zu halten, der jugendliche Elan währt nicht für immer. Irgendwann erinnert einen der eigene Körper daran, dass man nicht ewig durchpowern kann. Dass die Kräfte irgendwann nachlassen. Dass man sterblich ist. Das Gute ist: Man kann die Degeneration verlangsamen, indem man hart trainiert und sich Botox injizieren lässt. Man hat die Möglichkeit, schöner, jugendlicher und leistungsfähiger zu wir ken, als man tatsächlich ist. Die Losung: Ein schönes, jugendliches Aussehen ist das beste Mittel gegen die Angst vor dem Verfall gilt nicht erst seit heute. Aber heute gilt sie mehr denn je. Wer einen Concealer benutzt, muss kein Narzisst sein. Vielleicht hat er/sie einfach nur Angst. Angst vor dem fünfzigsten Geburtstag, Angst vor dem Outsourcing. Wer in eine Lidstraf fung investiert, versucht vielleicht nur, seine Zukunft zu sichern. Man lässt sich verschönern, weil man schlicht Angst hat, seinen Job an eine Horde Jüngerer zu verlieren.
    Was in der Arbeitswelt gilt, gilt auch im Leben insgesamt: Wir wollen nicht nur, dass man uns unsere Jugendlichkeit ansieht. Wir wollen auch dafür bewundert, beneidet und gelobt werden. Wir wollen, dass man uns auf die Schulter klopft und ermutigt: »Du hast noch so viel Zeit, um ein Buch zu schreiben/nach Indien auszuwandern/Mutter bzw. Vater zu werden. Dein Erwachsenenalter liegt noch vor dir. Du bist ja noch so jung!« Weil wir uns mit vierzig fühlen wie höchstens fünfundzwanzig und mit fünfzig wie

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