Schönbuchrauschen
sollte, und betrachtete schweigend sein Henkelglas.
»Guck nicht so, als ob das dein Problem wäre«, lachte Flipp und boxte ihm leicht auf den Bizeps, »das ist ja nicht mal meins.«
»Aber du hast doch eine Menge Verwaltungskram an der Backe.«
»Ich? Wieso denn? Das läuft alles irgendwie von allein. Ich konzentrier mich ganz auf meinen Facharzt.«
»Und dann steigst du voll ein. Wann denn?«
»Das steht noch lange nicht fest. Ehrlich gesagt, weiß ich noch nicht einmal, ob ich das wirklich will. Wahrscheinlich ist es angenehmer, noch ein paar Jährchen in aller Ruhe Wissenschaft zu machen und nicht gleich Praxischef zu spielen. Meine jetzige Situation lässt sich gut aushalten.«
Theo konnte sich nicht so recht in ihn hineindenken, was Flipp schnell bemerkte.
»Aber das muss ich dir jetzt auch nicht alles erzählen. Und wie geht es dir ganz privat, sozusagen im Intimbereich?«
»So lala. Das willst du sicher nicht hören. Wie läuft’s bei dir?«
»Na ja, wie das halt so ist, wenn die Partnerin sich mit einem Stipendium für ein Jahr oder länger nach Massachusetts zurückgezogen hat. Da bist du froh, wenn du zwischendurch mal eine Krankenschwester ins Bett kriegst.«
Theos Brauen zuckten zusammen, aber ehe Flipp ihn recht ansah, hatten sich seine Züge wieder entspannt.
Dann bestellte Flipp Rostbraten für beide und dazu noch einen Rotwein, aber diesmal vom besseren, wie er betonte. Er schwärmte von den Weingütern Württembergs, die sich inzwischen sogar einen internationalen Namen gemacht hatten, redete von Stettener Pulvermächer, Fellbacher Lämmler, Untertürkheimer Gips, Rotenberger Schlossberg und anderen Lagen, von denen Theo noch nie gehört hatte. Und es sei auch ganz phantastisch, erzählte er begeistert, dass sich in den letzten Jahren auch eine entsprechende Gastronomie entwickelt habe, die »auf diese neuen Spitzenweine genau zukoche«, wie er sich ausdrückte. Da bestellte man sich nicht mehr den Wein zum Essen, sondern das Essen zum Wein. Das sei geradezu ein kulinarischer Paradigmenwechsel.
Dann hatten sie von gemeinsamen Bekannten geredet, Erinnerungen ausgegraben und waren, leicht angeheitert, einander fast so nahe gekommen wie damals, als sie sich gemeinsam auf das Vorphysikum vorbereitet hatten.
Als sie gegessen hatten, meinte Flipp, jetzt sollten sie nicht mehr länger hier in dem Gewusel sitzen bleiben.
»Ich kaufe noch was Anständiges zu trinken, dann fahren wir zu mir. Da bist du ja auch schon beinahe daheim.«
Theo stimmte zu. Der Tag war ohnehin gelaufen, und er hatte nichts Besseres zu tun. Mit zwei Flaschen Spätburgunder Spätlese vom Großheppacher Kopf fuhren sie nach Böblingen und verbrachten den Rest des Tages bei Flipp.
Sie saßen in Liegestühlen auf Flipps kleiner Terrasse und schauten über die Stadt hin.
»Du lebst hier wie Gott in Frankreich«, hatte Theo gesagt, nachdem er das letzte Glas geleert hatte und sich auf den Heimweg machte.
Er fand den Weg, als wäre er erst gestern hier gewesen. Vorsichtig öffnete er das Gartentor, das in den niederen Jägerzaun eingelassen war, lehnte es hinter sich wieder an und betrachtete das Haus. Still und dunkel lag es vor ihm, nichts regte sich. Er schlich über die Steinplatten auf den Eingang der Parterrewohnung zu. Er kniete nieder und drückte mit der Hand vorsichtig auf die Steinplatten, die an die Hauswand grenzten, und fand die lose Platte sofort.
»Schau mal weg«, hatte Flipp damals spaßhaft gesagt und ihm die Rotweinflaschen in den Arm gedrückt. Und Theo hatte sich umgedreht, als wollte er den Blick auf die Stadt genießen. Dabei hatte er aber zurückgeschaut und beobachtet, wie Flipp mit der Fußspitze auf eine der roten Sandsteinplatten trat, die direkt an der Hauswand lagen. Die Platte kippelte und hob sich an der einen Seite. Flipp zog einen Schlüssel darunter hervor und sagte: »So einen großen Schlüssel kann man nicht immer mit sich herumschleifen. Ich will schon lange ein anderes Schloss einbauen lassen, aber glaubst du, ich komme dazu? Wenn ich daran denke, habe ich keine Zeit, und wenn ich Zeit habe, denke ich nicht daran. Daher das Versteck.«
»Sehr geheim«, hatte Theo lachend gesagt, »ich habe nichts gesehen.« Dabei hielt er sich die gespreizten Finger vors Gesicht und kicherte albern.
»Nein, du hast rein gar nichts gesehen. Aber wenn irgendwer in nächster Zeit meine Bude ausräumen sollte, dann hätte ich schon eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte.«
»Da wärst du aber im
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