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Schönbuchrauschen

Schönbuchrauschen

Titel: Schönbuchrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietrich Weichold
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bei der Examensparty zufällig getroffen. Da kam er mit Laura und Andrea an. Aber zwei Wochen später hat eine der beiden, Laura oder Andrea, oder vielleicht beide, ihm den Laufpass gegeben. Da hat er sich an mich erinnert. Angetrunken und vor Selbstmitleid triefend kam er zu mir, und ich war dumm genug, ihn hereinzulassen und mit ihm etwas zu trinken. Er wurde zudringlich und ich wies ihn zurück. Da hätte ich ihn sofort rausschmeißen müssen, habe es aber nicht gemacht, weil er so tat, als würde er vernünftig. Und irgendwie tat er mir ja auch leid. Wir saßen schon beim zweiten Glas Wein, als ich kurz in die Küche ging, um etwas zu essen zu holen. Und da muss er mir K.-o.-Tropfen in mein Glas getan haben. Als ich wieder zu mir gekommen bin, war er weg. Ich wurde schwanger, und die Abtreibung ging schief. Der Traum von der heilen Familie war geplatzt. Ich bin keine Frau mehr. Dass ich mich damals zu sehr geschämt habe, um ihn anzuzeigen, kann ich mir heute nicht verzeihen. Dieser Selbstvorwurf wird immer an mir nagen
.
    Was mir blieb, war die Karriere und das Geld. Ferdinand war der richtige Partner. Er wollte keine Kinder, wie er immer wieder sagte. Er wollte gut leben, ohne an Geld denken zu müssen. Und dieses Leben schwebte mir nun auch vor. Wenn nicht eine glückliche Familie, dann ein großzügiges Leben im Wohlstand. Und dann, nach Ferdinands Unfall, versuchte ausgerechnet Krumm, unser Vermögen an sich zu bringen, und drohte mir noch, dafür zu sorgen, dass mein Teil an Andreas Tochter geht. Es sei doch leicht nachzuweisen, dass ich zwar die Börsengeschäfte organisiert hätte, aber ohne eigenes Kapital. Und daher hätte ich keinen Anspruch auf dieses Geld. Ich müsste also mit ihm teilen, oder er würde mir Schwierigkeiten machen. Ich wusste damals von Ferdinands Verdacht, dass er von Andrea betrogen worden war, und war überzeugt davon, dass sich der Verdacht bestätigen würde. Den Beweis habe ich ja später auch gefunden
.
    Krumm in den Wald zu locken, war leichter, als ich gedacht hatte. Anscheinend war er naiv genug, um anzunehmen, dass ich ihm die Sache von damals verziehen hätte. Er wollte unbedingt das Geld behalten, das er sich schon überwiesen hatte, und außerdem musste er nach meiner Pfeife tanzen, weil ich ihn erpressen konnte. Ein Wort von mir, und er wäre im Gefängnis gesessen
.
    Was man mit K.-o.-Tropfen erreichen kann, habe ich ja von ihm gelernt. Und der Rest war sehr einfach. Krumm sollte nicht ein zweites Mal meinen Lebensplan durchkreuzen, und er hat es auch nicht geschafft
.
    Nur nützt es mir nichts. Gar nichts
.
    Kupfer nahm sonst keine Schriftstücke oder Dokumente mit nach Hause. Für das Aktenstudium waren die Bürostunden da, sagte er sich, und er hielt sich immer daran. Nun aber machte er eine Ausnahme. Er kopierte Judith Schwenks Erklärung, weil er sie Marie zeigen wollte.
    »Du hattest recht«, sagte er und reichte ihr die Kopie. »Es gibt da eine Vorgeschichte, die nur sie aufdecken konnte. Sie hat alles aufgeschrieben.«
    »Sagen konnte sie es nicht?«
    »Nein, das war ihr nicht möglich. Aber allem Anschein nach ist es gut für sie, dass es heraus ist. Sie hat es übrigens bereitwillig aufgeschrieben.«
    Marie las das erweiterte Geständnis schweigend durch. Dann ließ sie das Blatt sinken und sagte: »Furchtbar! – Und damit ist nun der Fall ganz gelöst?«
    »Für mich als Ermittler schon. Aber seit ich das gelesen habe, werde ich den Gedanken an Krumms Mutter nicht los. Sie tut mir unendlich leid. Zuerst muss sie damit fertigwerden, dass ihr Sohn ermordet worden ist, und jetzt muss sie auch noch diese üble Geschichte erfahren. Denk doch mal, diese Judith Schwenk ist früher bei ihr ein- und ausgegangen. Sie mochte sie und sah sie vielleicht schon als künftige Schwiegertochter. Und dann das! Ich möchte nicht in ihrer Haut stecken.«
    »Aber du musst ihr doch nichts sagen?«
    »Natürlich nicht. Aber sie wird den Prozess verfolgen, und da sehe ich sie wieder. Das reicht mir schon.«
    Dann schaute Kupfer mit steinernem Gesicht vor sich hin. Marie wusste aus Erfahrung, dass sie ihn jetzt nicht aufheitern konnte. Aber sie konnte darauf hoffen, dass er in ein paar Tagen mit den düsteren Gedanken, die ihn gerade bewegten, zurechtkommen würde.

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