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Schöne Bescherung

Schöne Bescherung

Titel: Schöne Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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heute noch da unten sitzen, wenn er sein Schicksal nicht selbst in die Hand genommen und sich aus dem kleinen Kellerfenster davongestohlen hätte. Von da an war’s dann nicht nur vorbei mit der Bettnässerei. Von da an hat er den Vater abgrundtief gehasst. Auch der liebe Gott verlor sein Interesse. Das Einzige, für das sich Plotek noch interessierte, war Fußball. Die vermutlich letzte Möglichkeit, aus dem dunklen Ostalbschwäbischen Kartoffelkeller für immer zu entkommen.
    Mit dem Fußball wurde es dann letztendlich doch nichts – wegen dem Bruder, dem Traktor und dem zweifach gebrochenen Oberschenkel. Aber entkommen ist er am Ende doch.
    Und das soll jetzt hier enden?, dachte Plotek. Im feuchten tschechischen Knast? Und musste wieder schmunzeln. Wieder typisch Plotek. Jeder andere hätte jetzt geweint, vor Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, und mit sich und seinem Schicksal gehadert. Ganz anders Plotek. Er lachte, trotz Schädelweh und aussichtsloser Situation. Quasi Galgenhumor. Und schon ging die Türklappe auf und ein Päckchen filterlose Zigaretten lag auf einem Bord. Da hatte jemand Einsicht oder Mitleid, dachte Plotek und rauchte die Zigaretten zu Asche, als wollte er ins Guinness-Buch der Rekorde oder vom tschechischen Knast direkt ins Grab steigen. Als er die letzte Zigarette ausgedrückt hatte, schmerzte nicht nur der Kopf und die Augen brannten wie verrückt. Seine Lungen röchelten wie zwei Kaffeemaschinen und die Bronchien rasselten. Und wieder lachte Plotek. Quasi doppelter Galgenhumor. Dieses Mal ging aber nicht die Türklappe auf, sondern die ganze Tür öffnete sich.
    »Sie haben Besuch«, sagte einer der zwei Männer, jetzt ohne Ledermantel, und führte Plotek in Handschellen in sein Büro. Und da dann: Überraschung.
    »Du siehst ja gar nicht gut aus!«
    An einem Tisch saß nicht etwa Agnes mit Rechtsanwalt Dr. Weidner, sondern Silke Klein und war kaum wiederzuerkennen. Kein Wunder, dachte Plotek, unter diesen Umständen. Und dann: Wie will die das denn überhaupt wissen, wo sie doch blind ist. Und dann: Sie sieht jetzt auch anders aus. Ganz anders. Das war nicht mehr die Silke Klein aus dem Hotel. Die schwarzen Haare waren verschwunden. Stattdessen trug sie jetzt wasserstoffblond gefärbt als feschen Kurzhaarschnitt.
    »Wo sind deine schönen Haare hin?«, fragte Plotek.
    »In der Tasche.«
    Zuerst kapierte Plotek überhaupt nichts. Erst als Silke ihre Handtasche öffnete und die schwarzen Haare aus der Tasche holte, war Plotek klar: Perücke.
    Silke Klein lachte und nahm die Sonnenbrille vom Gesicht.
    Jetzt konnte Plotek das erste Mal ihre Augen sehen. Schöne Augen, blaue Augen. Und gar nicht blind.
    » Du kannst. . .«
    ». . . sehen, ja.« Silke Klein lächelte. »Und du hast nichts gemerkt?«
    Plotek schüttelte den Kopf.
    »Das beruhigt.«
    Dich, Silke Klein, vielleicht, dachte Plotek, mich, Paul Plotek, nicht.
    Als ob sie ab jetzt nicht nur sehen, sondern auch Gedanken lesen könnte, sagte sie: »Ich heiße nicht Silke. Und schon gar nicht Klein.«
    »Was?«
    »So einen bescheuerten Namen kann man sich nur ausdenken. «
    »Aber wie dann?«
    »Eva. Eva Petrov.«
    »Und Event-Managerin . . .«
    «. . . bin ich auch nicht, sondern Kriminalkommissarin, derzeit Undercover unterwegs. Im Auftrag der Münchner Kriminalpolizei. Abteilung organisierte Kriminalität und momentan kurz vor der Aufklärung einer großen Straftat.«
    Die Sauna fiel Plotek jetzt ein, aber nicht der tote von Alten, sondern er selbst, mit unverschämtem Gynäkologenblick. Bei dem Gedanken wurde er rot wie das Zündköpfchen des Streichholzes, mit dem sich einer der Ledermäntel jetzt eine Zigarette anzündete. Die Kommissarin lachte und guckte Plotek an, als ob sie auch diese Gedanken gelesen hätte – alle.
    »Und was hab ich mit dem Ganzen zu tun?«, fragte Plotek jetzt schon ein wenig ärgerlich.
    »Ich erklär’s dir. Setz dich.«
    Vor ihm stand eine Schachtel mit seinen Schnürsenkeln, dem Gürtel und dem Inhalt seiner Hosen – und Jackentaschen. Auch der Badelatschen lag darin. Die Ledermäntel schienen das Fach gewechselt zu haben, befreiten Plotek von den Handschellen, nickten freundlich und brachten Kaffee und Zigaretten.
    »Es geht um Folgendes«, sagte Eva jetzt leiser und fast konspirativ. Während sie erzählte, drohte Plotek sich in ihren blauen Augen zu verlieren. »Es liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei Schnabel und seinem Reiseunternehmen um eine kriminelle Vereinigung handelt, die als

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