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Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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es roch natürlich nicht nach Weihrauch, das bildete sich Plotek nur ein. Immer wenn er Glühwein roch und Lebkuchen, kam ihm Weihnachten in den Sinn, und bei Weihnachten Weihrauch. Der nächste Gedanke war dann schon Christmette und Kirche. Dann die eiskalte in Lauterbach, bei der er sich in der Kindheit regelmäßig den Arsch auf der Kirchenbank verfroren hat. Und schon wieder war die Kindheit, ob Plotek wollte oder nicht, gedankenfüllend im Kopf. Er wollte nicht. Nie. Aber vergiss es – das war wie ein immer wiederkehrendes und nicht enden wollendes Déjà-vu-Erlebnis. Jetzt der weihnachtliche Ausflug mit der Familie zu Onkel und Tante ins Niederbayerische. Erster Weihnachtsfeiertag, damals, als Plotek, von der Mutter überredet, noch mit Kniebundhosen und Strickpullunder einer ästhetischen Realitätsverleugnung aufsaß.
    Einmal im Jahr wurden die Verwandten besucht. Mit dem VW-Variant ging es in die Nähe von Passau. Da dann großes Hallo. Außer bei Plotek. Der hielt damals schon wenig von den Verwandten. Weder von Onkel, noch Tante. Der Onkel sagte bei jeder Gelegenheit: »Spaß muss sein!«, und lachte, dass Ploteks kleine Ohren schmerzten. Die Tante hingegen lachte nie, kochte dafür so grauenvoll, dass es Plotek im Niederbayerischen immer schlecht wurde. Einmal musste er auch kotzen. Da lachte dann auch der Onkel nicht mehr und mit dem »Spaß muss sein« war’s vorbei.
    Auch mit seiner Cousine Stefanie konnte Plotek nichts anfangen. Sie mit ihm dagegen umso mehr. Die Cousine war nicht nur zwei Jahre älter als Plotek, doppelt so dick und hatte mit zwölf schon Brüste wie Blumenkohlköpfe, sondern auch zwei Gesichter. Wenn Erwachsene in der Nähe waren, gab sie das artige, wohlerzogene kleine Mädchen, das bei jeder Gelegenheit »Danke!« und »Bitte!« sagte. War sie mit Plotek alleine, veränderte sie sich schlagartig und wurde zum versauten, lüsternen Luder. Und das mit dreizehn! Jetzt war nichts mehr mit bitte und danke. Jetzt sagte sie: »Hose runter, Beine breit, ficken ist ’ne Kleinigkeit!«, und wollte Ploteks Schniedel sehen. Die Folge waren Doktorspiele der härteren Sorte, mit Einführen von spitzen Gegenständen wie Kugelschreiber in alle möglichen Körperöffnungen. Wenn Plotek sich weigerte, ihre Brüste anzufassen oder sich von ihr betatschen zu lassen, drohte sie damit, ihren und seinen Eltern »alles zu erzählen«. Was das war, schilderte sie dann auch gleich, nämlich ein flugs entworfenes Horrorszenario von sexueller Demütigung und perverser Misshandlung, das sie mit ihrem ernsten ersten Gesicht tränenrührend vortrug. Da blieb Plotek gar nichts anderes übrig, als ihre dicken Titten zu kneten und sich am Pimmel ziehen zu lassen. Stefanie war auch die Erste, die Plotek, obgleich er sich mit Händen und Füßen wehrte, in die Kunst des Küssens einführte. Kunst, na ja. Sie rammte ihm ihre fleischige, nach Leberwurst schmeckende Zunge in den Mund, dann in den Hals, dass Plotek beinahe erstickt wäre. Noch heute kommt es bei ihm öfters vor, dass er bei Zungenküssen mit besonders dicken Zungen einen Würgereiz empfindet. Jetzt allein bei der Vorstellung.
    Heute ist die Cousine mit ihrer dicken Zunge bestimmt im horizontalen Gewerbe unterwegs und höchstwahrscheinlich drogenabhängig, dachte Plotek. Oder aber bei den Zeugen Jehovas. Er wusste nicht, ob er sich im Nachhinein freuen oder doch eher Anteilnahme am Schicksal der versauten Cousine nehmen sollte, als er Herrn Wilhelm »Kennt ihr den?« fragen hörte. »Drei Tomaten gehen spazieren, Papa Tomate, Mama Tomate, Kind Tomate. Kind Tomate bleibt schlendernd zurück. Papa Tomate wird wütend, geht schnaubend zu Kind Tomate, zermanscht es und sagt ›Ketch up!‹«
    Fast die komplette Reisegruppe rollte mit den Augen. Einige Musiker fingen gerade an, auf der Bühne ihre Instrumente für die große Weihnachtsfeier zu stimmen.
    »Pulp Fiction«, sagte Plotek und erinnerte sich dabei an den Witz im Film. Die anderen erinnerten sich nicht und blickten verständnislos zu ihm. Nur Silke Klein hatte Verständnis.
    »John Travolta und Uma Thurman«, sagte sie.
    »Geil – « Plotek erschrak über seine eigene Ausdrucksweise. Das letzte Mal, als ihm dieses Wort über die Lippen kam, wann war das? Als er den Film im Kino gesehen hatte? Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts musste das gewesen sein. Damals, als noch mit D-Mark bezahlt wurde, der dicke Kanzler auf seinem fetten Hintern alles aussaß und Plotek, noch nicht ganz

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