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Schoene Bescherung

Schoene Bescherung

Titel: Schoene Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sobo Swobodnik
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eine Stunde – keine Ahnung.
    Irgendwann wachte er durch ein leises Summen auf. Er öffnete die Augen und konnte nicht feststellen, woher das Geräusch kam. Es hörte sich an wie eine Stechmücke, dachte Plotek. Stechmücken im Winter? Er hörte sie trotzdem. Zuerst leise, dann lauter. Er sah sie noch immer nicht. Auf der Stofftapete konnte sie sich bestens tarnen. Seine Augen irrten auf der Suche nach diesem Mistvieh im Zimmer herum. Das Geräusch kam näher, war ganz nahe an Ploteks Ohr und dann plötzlich verschwunden. Er spürte ein leichtes Kitzeln auf der Wange. Dann einen Stich.
    »Aua!«
    Er schlug nach dem Tier, traf sich im Gesicht – und war wach.
    Die polnische Prostituierte lag verdreht auf dem Sofa und schlief. Ihr Arm hing leblos von der Lehne. Das Gesicht war von den blonden Haaren verdeckt, das silberne Kreuz zwischen ihre großen Brüste gerutscht und verschwunden. Durch das Fenster drang schwaches Licht. Von nebenan war eine Stimme zu hören. Undeutlich und leise.
    Plotek stand auf. Er tastete sich durchs Zimmer, stieß mit dem Knie an den Glastisch.
    »Aua!«
    Die Tür zum anderen Zimmer war nur angelehnt. Vorsichtig schob er sie ein paar Zentimeter weiter auf und streckte seinen Kopf durch den Spalt. Er sah die rothaarige Nutte auf dem Rücken auf einem großen Bett liegen. Ihre Silikonbrüste standen wie frische Maulwurfshügel in die Luft. Die rosafarbenen Brustwarzen schimmerten. Eine Hand lag auf dem Bauch, die andere neben dem Schenkel. Ihre Augen waren geschlossen, die Haare lagen ordentlich neben dem Kopf. Wie aufgebahrt, dachte Plotek und versuchte zu erkennen, ob sie noch atmete. Ihr Körper schien sich nicht zu bewegen, die Brust, der Bauch hoben und senkten sich nicht. Tot, dachte Plotek, und dann an das Quietschen des Ferkels. Er erschrak und sah zu Skolny. Der lag auf der anderen Seite des Bettes, mit dem Rücken zur Nutte. Zwischen beiden die Bettdecke wie eine trennende Wand. Skolny hatte nur noch die Tennissocken an. Er lag in einer verkorksten Embryonalhaltung da, ein Arm völlig verdreht, die dünnen Beine angezogen. Sein dicker, praller Bauch lag neben ihm, als ob er sich gleich vom übrigen Körper lösen wollte. Unter dem Bauch ein winziger Schwanz. Einen so winzigen Schwanz hatte Plotek noch nie gesehen.
    Jetzt muss man wissen, dass Plotek in seinem Leben bisher nicht viele männliche Geschlechtsteile gesehen hat. Früher am Theater hin und wieder. Auf offener Bühne. Bei den Proben. Da kam es schon mal vor, dass einer der Darsteller die Hose herunterlassen musste, weil das kranke Hirn des Regisseurs es so haben wollte. Wenn den Regisseuren nichts mehr einfiel, mussten sich die Darsteller eben ausziehen. Meistens die Frauen. Wenn das nicht half, auch mal ein Mann. In der Hoffnung, nacktes Fleisch lenke von inszenatorischer Einfallslosigkeit ab. Und Überraschung: Oft hat es funktioniert. Dadurch wurde die Inszenierung zwar nicht besser, aber die Abonnenten regten sich über Augenscheinlicheres auf. Vor allem in der Provinz: Marburg, Erlangen, Memmingen und alles.
    Skolny schwitzte und murmelte vor sich hin. Plotek konnte kaum etwas verstehen. Er schob die Tür noch ein wenig weiter auf und ging zwei Schritte auf Skolny zu. Er hatte das Gefühl, dass jetzt der Schwanz noch kleiner wurde. Und er sprach. Zumindest kam es Plotek so vor.
    Er sagte: »Papa . . . ich . . . Mama . . . Karlsbad . . . tot. . . du . . . Papa . . . Schwein . . . Karlsbad . . . Mama . . . Aua . . . nein . . . wir müssen . . . haha . . . schöne Bescherung.«
    Zuletzt leises Summen. Das hört sich nach ›Ihr Kinderlein kommet‹ an, dachte Plotek, als die tote Nutte plötzlich schmatzte. Sie schlug die Augen auf und guckte Plotek an, als ob er der Mörder wäre.
    Noch ehe sie etwas sagen konnte, hatte Plotek sich aus dem Staub gemacht.

9
    Der Festsaal war feierlich geschmückt. Auf den Tischen Kerzen, kunstvolle Gestecke aus Tannenzweigen, Adventskränze. Auf der Bühne ein großer Tannenbaum, an dem bunte Kugeln und Lametta hingen. Vor dem Baum waren Instrumente aufgebaut, ein Kontrabass, ein Flügel, dazwischen Notenständer und Stühle. Einige Musiker in schwarzen Fracks packten ihre Musikinstrumente aus, legten Notenblätter auf die Ständer. Die flinken Serviermädchen schwebten federleicht zwischen den Tischen herum, zündeten Kerzen an, verteilten Reserviert-Schilder. Auf einem stand Reisegruppe Schnabel.
    Es roch im ganzen Festsaal weihnachtlich, nach Lebkuchen, Glühwein und Weihrauch. Nein,

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