Schöne Khadija
glaube, wir haben alles, was möglich ist, ausdiesen Kleidern herausgeholt. Vielen Dank, Khadija.« Er zögerte kurz und fuhr dann fort: »Ich weiß, dass ich es dir nicht leicht gemacht habe, aber meinst du, du schaffst noch eine Sache?«
Amina sah auf die Uhr und hüstelte. »Ich glaube, wir sollten wirklich …«
»Nur noch zehn Minuten«, sagte David. »Ich möchte nur ein paar Fotos in den schwarzen Kleidern, in denen sie gekommen ist.«
»Die?« Sandy sah aus, als ob sie widersprechen wollte. Doch dann zuckte sie mit den Achseln. »Na ja, warum nicht. Sie muss sie ja sowieso anziehen, bevor sie geht.«
Diesmal gab es kein großes Getue. Sandy nahm mir die Kleider ab, die ich gerade trug und ich zog mir allein die schwarzen Sachen an. Ein paar Minuten später war ich so weit.
David hatte die großen Glastüren zum Balkon geöffnet und bat mich, zu ihm herauszukommen. Es wurde bereits dunkel und vor dem Himmel zeichneten sich die Hochhäuser der Stadt ab. Dahinter erglühte rotgolden der Abendhimmel.
David wusste genau, was er wollte, und es ging sehr schnell. Ich lehnte mich in eine Ecke des Balkons, vor dem Sonnenuntergang, und er machte das Foto, das mich berühmt machen sollte. Eine starke, schwarze Silhouette, die auf die Stadt im Dämmerlicht schaut, während im Westen die Sonne untergeht.
Das ist heute das Bild, das jeder vor Augen hat, wenn er Qarsoon hört.
Wir waren rechtzeitig zurück, damit ich in Tante Safias Laden gehen konnte. Ich war sehr müde, aber es tat gut, vertraute Dinge an einem vertrauten Ort zu tun.
Tante Safia war an diesem Abend ganz besonders nett zu mir – in einer merkwürdigen, nervösen Art. Ich glaube, sie wunderte sich über die Reise nach Somalia, aber sie stellte keine Fragen. Vielleicht wollte sie die Antworten gar nicht hören. Auf jeden Fall machte sie mir eine Tasse Tee und gab mir Kekse, während ich fegte und Staub wischte.Und nach der Arbeit ging sie mit mir zur Tür, wo ich mich mit Abdi traf.
»Nun«, meinte sie zu uns beiden, »ihr fahrt also in zwei Wochen nach Somalia.«
»In zehn Tagen!«, berichtigte sie Abdi eifrig.
»Ihr fliegt nach Dubai und von dort aus nach Hargeysa?«
Abdi schüttelte den Kopf. »Nein, wir nehmen einen anderen Weg. Wir fliegen nach Galkayo.«
Davon hatte ich noch nichts gehört. Mein Herz schlug schneller, als ich daran dachte, dass wir den Orten, an denen meine Familie herumgezogen war, so nahe kommen sollten, aber Tante Safia runzelte die Stirn.
»Aber das hat Suliman mir gar nicht erzählt. Hat er seine Pläne geändert? Oder hast du dich vielleicht geirrt?«
Abdi zögerte. Dann nickte er langsam. »Ja«, meinte er, »da habe ich mich wohl geirrt.«
Aber ich wusste, dass er log.
Und Tante Safia auch. Sie sagte nichts, aber als wir gingen, sah sie uns nach, bis wir am Ende der Straße waren.
Und warum war ich nicht bei Khadijas erderschütterndem Foto-Shooting dabei? Weil ich bei Merry war. Sie hatte mich völlig unvermutet angerufen, als ich mit Ruby und Ben durch die Läden zog. Ruby und ich versuchten, Bens Liebesleben auf die Reihe zu kriegen – wie immer –, aber wir hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, was er tun sollte. (Und nein, das hat absolut nichts mit dieser Geschichte zu tun. Aber ich will, dass ihr wisst, dass ich kein Loser bin. Ich habe viele Freunde und ganz besonders Ruby und Ben zählen dazu.)
»Du musst es ihr sagen «, meinte Ruby gerade. »Sie muss wissen, was du fühlst. Ehrlich, Ben …«
In diesem Augenblick klingelte mein Handy und ich nahm den Anruf entgegen, hörte aber immer noch Ruby zu, wie man das eben so macht. Darum brauchte ich einen Moment, bis ich verstand, was Merry sagte.
»Schätzchen, es tut mir leid, dass ich an deinem Geburtstag so eine Seifenoper aufgeführt habe. Kann ich das heute Nachmittag irgendwie wiedergutmachen?«
»Das brauchst du nicht, Merry«, erklärte ich geistesabwesend. »Ehrlich, Merry, das ist schon in Ordnung.«
»Keine Sorge«, gurrte Merry. »Ich werde nicht in Sack und Asche vorbeikommen oder etwas ähnlich Peinliches tun. Ich habe nur gerade eine wundervolle Idee …«
Ich hätte ihr zuhören sollen, aber in diesem Augenblick hörte ich Ruby wieder mit Ben flüstern.
»Da, dort ist sie! Sie geht gerade zu Next ! Geh ihr nach und sag ihr, dass du sie immer noch liebst! Schnell, bevor du den Mut verlierst!«
Nein! Das war ja ein schrecklicher Rat! Ich musste unbedingt vom Telefon loskommen und verhindern, dass Ben wieder verletzt
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