Schöne Khadija
dabeihaben, stimmt’s?«
»Darum geht es nicht …«
»Doch, geht es«, behauptete ich heftig. »Du willst dich darauf konzentrieren, dass Sandy in Sicherheit ist – ohne dass ich dabei bin und dich ablenke. Aber was ist, wenn tatsächlich etwas passiert. Wenn ihr beide getötet werdet, meint ihr, ich bin dann froh, dass ihr mich hiergelassen habt?«
»Jetzt wirst du melodramatisch«, sagte Dad. Aber er war in der Defensive und ich wusste, dass er genau verstand, wie ich mich fühlte. War das nicht der Grund, warum er mit Sandy ging?
Ich hatte nicht die Absicht aufzugeben und er ebenfalls nicht. Wir starrten einander an, nahe daran, schmerzliche, unverzeihliche Dinge zu sagen, denn hier ging es um viel mehr als nur eine Reise nach Somalia.
Aber dann – kurz bevor aus der Diskussion ein handfester Streit wurde – sah ich plötzlich einen Weg, zu bekommen, was ich wollte. Ich würde nur meine Zeit verschwenden, wenn ich Dad zu überreden versuchte, aber ich konnte Sandy dazu bringen, mich mitzunehmen. Wenn ich bereit war, rücksichtslos zu sein.
»Wie du willst«, meinte ich achselzuckend und stieß das Foto über den Tisch. »Aber sorg dafür, dass das hier verschwindet.«
Dad sah aus, als wolle er mich umarmen, aber ich verschwand schnell, bevor er die Gelegenheit dazu hatte. Und sobald ich allein in meinem Zimmer war, schickte ich Sandy eine S M S .
Nimm mich mit nach Somalia oder ich erzähle Tony Morales von Qarsoon. Im Ernst!
Mir zitterten die Hände, als ich die Nachricht abschickte. Ich wusste, dass es funktionierte. Wenn Sandy und Dad nach Dubai flogen, würden sie mich nicht zurücklassen. Ich würde mit ihnen reisen, bis nach Somalia.
Danach konnte ich an gar nichts mehr denken.
M ahmouds neues Zimmer war hell und luftig, mit einer Matratze und einer weichen, neuen Decke. Und er war fast nie allein. Jetzt war Sanyare bei ihm und erzählte ihm Geschichten und trug Gedichte und Lieder vor, um ihm die Zeit zu vertreiben. Sie aßen zusammen und beteten zusammen und Mahmoud lachte über Sanyares Scherze.
Manchmal machte er sogar selbst Witze.
»Was gibt es denn heute?«, fragte er, als Rashid mit dem Essen kam. »Ziegeneintopf und Kamelmilch?«
Sanyare lachte und zauste Mahmoud die Haare wie ein Vater seinem Sohn. Und Rashid grinste, als er ihm einen Teller mit Maisporridge reichte.
»Das hier ist besser als Ziegeneintopf«, erklärte er. »Es kommt aus dem besten Restaurant von Eyl – Makhaayad Rashid!«
»Rashid kocht wie kein Zweiter«, erklärte Sanyare ernst und schnitt Mahmoud eine Grimasse. »Sogar der Tee hat bei ihm einen ganz besonderen Geschmack.«
Sie fuhren fort, Rashid zu necken, bis er so tat, als verlöre er die Geduld, und aus dem Raum stampfte. Dann saßen sie nebeneinander, unterhielten sich und aßen.
Es wäre so leicht gewesen, Sanyare für einen Freund zu halten.
Aber ein Freund hat keine Waffe, wenn er sich mit dir unterhält. Und er verschließt nicht die Tür hinter sich, wenn er dein Zimmer verlässt. Diese Dinge konnten auch noch so viele Scherze und Gedichte nicht verdrängen und Mahmoud hörte nicht auf, sie zu bemerken.
Er wusste, dass er nur Teil eines Plans war, und wenn die Zeit gekommen war, würden Sanyare und die andren ihn benutzen, ohne sich um seine Gefühle zu kümmern, so wie man ein Messer oder ein Gewehr bei der Jagd benutzt. Er konnte nur beobachten und abwarten.
Und versuchen, den Fehler zu erkennen, der ihm zur Flucht verhelfen würde …
Wenn du hart arbeitest, hatte Suliman gesagt, dann sorge ich dafür, dass du mit uns kommst. Das war die Abmachung – und er sorgte dafür, dass ich meinen Teil davon einhielt. Ich hatte noch nie so viel Zeit vor dem Computer verbracht wie in den zwei Wochen vor unserer Abreise. Es gab endlos viel vorzubereiten und nie genug Zeit.
Aber ich beschwerte mich nicht. Jedes Mal, wenn ich eine E-Mail nach Somalia schickte, dachte ich: In ein paar Wochen bin ich da und sehe, wie es wirklich ist. Ich konnte es immer noch kaum glauben.
Während der ganzen Sommerferien verbrachte ich den größten Teil des Tages bei Suliman und ging unsere Notizen durch, während er telefonierte und telefonierte und telefonierte. Und als die Schule wieder anfing, war ich immer noch jeden Abend stundenlang dort, kopierte Dokumente oder tippte Checklisten für alle.
Wir sollten in zwei Gruppen reisen. Suliman, Amina und ich reisten in der ersten zusammen mit Khadija. Wir würden in Dubai umsteigen und direkt nach Galkayo
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