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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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selbst wenn sich durch einen unglückseligen Zufall ein Loch in der ununterbrochenen Folge ihres Zeitvertreibs auf tut, ist immer Soma zur Hand, das köstliche Soma! Ein halbes Gramm genügt für einen freien Nachmittag, ein Gramm fürs Wochenende, zwei Gramm für einen Ausflug in die Pracht des Orients, drei Gramm für eine dunkle Ewigkeit auf dem Mond. Und wenn sie zurückkehren, sind sie bereits über den Ab grund hinweg, stehen auf dem sicheren Boden täglicher Arbeit und Unterhaltung, eilen von einem Fühlkino ins andere, von einem pneumatischen Mädchen zum nächsten, von elektromagnetischem Golf zu -«
    »Fort mit dir, kleine Göre!« rief der BUND ärgerlich. »Weg, du Lausejunge! Seht ihr nicht, daß Seine Fordschaft beschäftigt ist? Sucht euch einen anderen Platz für eure sexuellen Spiele!«
    »Die armen Kleinen!« sagte der WAR.
    Langsam und majestätisch zogen die Förderbänder unter leisem Maschinengesumm weiter, dreiunddreißig Zentimeter in der Stunde. Im purpurnen Dunkel funkelten unzählige Rubine.

Viertes Kapitel
    Der Aufzug war gedrängt voll von Alphas, die aus den Umkleideräumen kamen. Bei ihrem Eintreten wurde Lenina von vielen mit freundlichem Nicken und Lächeln begrüßt.
    Sie war ein allgemein beliebtes Mädchen und hatte fast mit jedem von ihnen irgendwann einmal eine Nacht verbracht.
    Lauter nette Jungen, dachte sie, während sie die Grüße erwiderte. Reizende Jungen! Wenn nur Fordlieb Edisons Ohren nicht so groß wären - vielleicht hatte er bei Meter 328 eine Spur zuviel Nebenschilddrüsenpräparat bekommen? Und beim Anblick von Benito Hoover mußte sie daran denken, daß er, nachdem er seine Kleidung abgelegt hatte, sich wirklich als zu behaart erwiesen hatte.
    Den Blick von der Erinnerung an Benitos krause Schwärze ein wenig umdüstert, wandte sie sich um und entdeckte im Winkel die kleine, schmächtige Gestalt und das melancholische Gesicht von Sigmund Marx.
    »Sigmund!« Sie drängte sich zu ihm durch. »Ich habe Sie schon gesucht.« Ihre klare Stimme übertönte das Surren des aufsteigenden Fahrstuhls. Neugierig wandten sich die anderen nach ihr um. »Ich wollte mit Ihnen über unsere Neumexiko-Reise sprechen.« Aus dem Augenwinkel gewahrte sie, wie Benito Hoover vor Staunen den Mund aufsperrte. Das verdroß sie.
    »Er wundert sich, daß ich ihn nicht bitte, wieder mit mir zu gehen«, dachte sie. Und mit betonter Herzlichkeit ergänzte sie laut: »Ich möchte furchtbar gern mit Ihnen im Juli für eine Woche wegfahren.« (Jetzt hatte sie ihre Untreue gegen Henry öffentlich kundgetan. Stinni durfte beruhigt sein, wenngleich es nur Sigmund war.) »Das heißt natürlich«, meinte sie und setzte ihr süßestes und vielsagendstes Lächeln auf, »wenn Sie mich noch haben wollen.«
    Sigmunds blasses Gesicht wurde rot. »Warum, um Fords willen?« fragte sie sich erstaunt und doch auch gerührt von dieser sonderbaren Huldigung.
    »Wollen wir nicht lieber anderswo darüber sprechen?« stotterte er entsetzlich verlegen.
    »Er tut gerade so, als hätte ich was Unanständiges gesagt«, dachte Lenina. »Hätte ich einen gemeinen Witz gemacht, ihn etwa gefragt, wer seine Mutter war oder dergleichen, könnte er nicht fassungsloser aussehen.«
    »Ich meine, hier sind so viele Leute...« Verwirrt brach er ab.
    Lenina lachte freimütig und ganz ohne Spott. »Sind Sie aber drollig!« sagte sie (und sie fand ihn wirklich drollig).
    »Lassen Sie es mich wenigstens eine Woche vorher wissen, ja?« fuhr sie in verändertem Ton fort. »Wir fliegen doch mit der Blauen Pazifikrakete? Von wo geht sie ab?«
    Bevor Sigmund antworten konnte, hielt der Aufzug.
    »Dach!« rief eine brüchige Stimme.
    Der Fahrstuhlführer war ein kleines affenähnliches Geschöpf in der schwarzen Jacke eines epsilon- minus Halbkretins.
    »Dach!«
    Er riß die Türen auf. Vom warmen Glanz der Nachmittagssonne geblendet, blinzelte er überrascht.
    »Oh, Dach!« wiederholte er verzückt, als wäre er unvermutet und freudig aus dem lähmenden Dunkel des Nichts erwacht.
    »Dach!«
    Mit erwartungsvoller hündischer Anbetung sah er zu den Gesichtern seiner Fahrgäste empor. Plaudernd und lachend traten die ins Licht hinaus. Der Aufzugwärter sah ihnen nach.
    »Dach?« sagte er noch ein letztes Mal, wie fragend. Eine Klingel schrillte; der Lautsprecher über ihm in der Decke begann sehr leise und sehr gebieterisch Befehle zu erteilen.
    »Hinunterfahren«, sagte die Stimme, »hinunterfahren!
    Siebzehntes Stockwerk. Hinunter, hinunter.

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