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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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müßte: ohne Soma und nur auf die innere Stärke angewiesen, irgendeiner schweren Prüfung, einem Schmerz, einer Verfolgung ausgesetzt. Er hatte sich geradezu nach einer Heimsuchung gesehnt. Erst vor einer Woche, im Zimmer des Direktors, hatte er sich seine Standhaftigkeit, sein stoisch stummes Erdulden ausgemalt. Die Drohungen des Direktors hatten ihn förmlich beflügelt, ihn über sich hinauswachsen lassen. Aber nur, wie er jetzt begriff, weil er die Drohungen nicht sehr ernst genommen hatte. Er hatte es nicht für möglich gehalten, daß der BUND wirklich jemals etwas gegen ihn unternehmen würde. Jetzt, da diese Drohungen wahr gemacht zu sein schienen, war Sigmund im Innersten erschü ttert. Keine Spur mehr von seinem erträumten Stoizismus, seinem theoretischen Mut!
    Er tobte gegen sich selbst - solch ein Esel zu sein! -, gegen den Direktor, der ihm gemeinerweise nicht noch eine Gelegenheit, sich zu bewähren, gab, die er, darüber hegte er jetzt keinen Zweifel, doch so gern ergriffen hätte. Und nun Island, Island... Lenina schüttelte den Kopf. »Ich wollt, ich wär, hilft keinem mehr«, zitierte sie. »Die Medizin: ein Schluck! ich bin.«
    Schließlich überredete sie ihn, vier Somatabletten zu schlucken. Fünf Minuten später waren Vergangenheit und Zukunft wie weggeblasen, nur die Blume der Gegenwart blühte rosig. Der Portier meldete, daß auf Anordnung des Kustos ein Reservationsaufseher gekommen sei und mit seinem Flugzeug auf dem Hoteldach warte. Sie fuhren hinauf. Ein Mischling in gammagrüner Uniform salutierte und begann, das Vormittagsprogramm herzusagen: Blick aus der Vogelperspektive auf zehn, zwölf der bedeutendsten Pueblos; dann Landung im Tal von Malpais zum Mittagessen. Die Schutzhütte dort sei sehr bequem, und droben im Pueblo feierten die Wilden wahrscheinlich jetzt ihr Sommerfest. Der geeignetste Ort zum Übernachten.
    Sie nahmen ihre Plätze in dem Helikopter ein und starteten. Zehn Minuten später überflogen sie die Grenze, die Zivilisation von Barbarentum trennte. Bergauf, bergab, durch Salzwüsten und Sandsteppen, durch Wälder und in die violette Tiefe der Canons hinab, über Gebirgskämme und Berggipfel und Tafelberge erstreckte sich der Gitterzaun, eine unaufhaltsame Gerade, das geometrische Symbol siegreicher menschlicher Zielstrebigkeit. Da und dort bezeichnete ein Mosaik gebleichter Knochen, ein noch unverwester Kadaver unter dem Zaun auf der lohbraunen Erde die Stelle, wo Antilope oder Rind, Puma oder Stachelschwein, Präriewolf oder ge fräßige Geier, vom Aasgeruch angelockt und wie vom Blitzschlag der poetischen Gerechtigkeit getroffen, dem vernichtenden Draht zu nahe gekommen waren.
    »Sie haben's nicht gelernt«, sagte der grünuniformierte Pilot und wies auf die Skelette hinab. »Und werden's auch nicht lernen«, ergänzte er lachend, als hätte er einen persönlichen Sieg über die hingerichteten Tiere errungen.
    Auch Sigmund lachte; mit zwei Gramm Soma im Leib fand er den Witz aus irgendeinem Grund gar nicht so übel.
    Er lachte - und schlief fast im selben Augenblick ein.
    Schlafend überflog er Taos und Tesuque, Nambe und Picuris und Poajaque, Sia und Cochiti, Laguna und Acoma und die Verzauberte Mesa, Zuni und Cibola und Ojo Caliente und erwachte erst, als das Flugzeug schon auf dem Boden stand, Lenina ihr Gepäck in ein kleines würfelförmiges Haus trug und der gammagrüne Mischling in einer unverständlichen Sprache mit einem jungen Indianer redete.
    »Malpais«, erklärte der Aufseher ihm beim Aussteigen.
    »Das hier ist die Schutzhütte. Nachmittags wird im Pueblo getanzt. Der da wird Sie hinführen.« Er wies auf den mürrischen jungen Indianer. »Wird wahrscheinlich toll zugehen.« Er grinste. »Sie treiben lauter tolles Zeug.« Mit diesen Worten kletterte er in den Hubschrauber und ließ die Motoren an. »Bin morgen wieder zurück. Und vergessen Sie nicht«, versicherte er Lenina, »das Volk hier ist ganz zahm. Die Wilden werden Ihnen nichts tun. Sie haben genug Erfahrung mit Gasbomben, um zu wissen, daß sie nichts anstellen dürfen.« Noch immer lachend, schaltete er die Rotoren ein, gab Gas, und weg war er.

Siebentes Kapitel
    Die Mesa glich einem Schiff, das in einer Meerenge aus löwengelbem Sand zwischen felsigen Steilküsten in eine Windstille geraten war. Von einer Talwand zur anderen zog sich ein schräger Streifen Grün hin: der Fluß mit den Feldern daran. Auf dem Vorderdeck des steinernen Schiffs inmitten der Meerenge, und anscheinend ein Teil

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