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Schöne neue Welt

Schöne neue Welt

Titel: Schöne neue Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aldous Huxley
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Erkenntnis war das höchste Gut, Wahrheit der erhabenste Wert, alles andere war nebensächlich und untergeordnet. Allerdings begannen sich schon damals die Anschauungen zu verändern. Ford der Herr selbst trug viel dazu bei, das Schwergewicht von Wahrheit und Schönheit auf Bequemlichkeit und Glück zu verlegen. Die Massenproduktion verlangte diese Verlagerung. Allgemeines Glück läßt die Räder unablässig laufen; Wahrheit und Schönheit bringen das nicht zuwege. Und natürlich ging es, sooft die Massen an die Macht kamen, stets mehr um Glück als um Wahrheit und Schönheit.
    Trotz alledem war uneingeschränkte wissenschaftliche Forschung noch immer erlaubt. Die Menschen redeten immer noch von Wahrheit und Schönheit wie von den höchsten Gütern. Bis zum Neunjährigen Krieg. Der ließ sie einen anderen Ton anschlagen. Was nützen Wahrheit oder Schönheit oder Wissen, wenn es ringsumher Milzbrandbomben hagelt? Damals, nach dem Neunjährigen Krieg, wurde die Wissenschaft zum ersten Mal unter Kontrolle gestellt. Die Menschen waren zu jener Zeit sogar bereit, ihre Triebe kontrollieren zu lassen. Alles für ein ruhiges Leben! Seit damals haben wir die Kontrolle auf immer weitere Gebiete ausgedehnt. Natürlich nicht gerade zum Vorteil der Wahrheit, wohl aber zum Vorteil des Glücks. Umsonst kriegt man nichts. Glück muß bezahlt werden. Sie bezahlen dafür, Herr Holmes, weil Sie sich zufällig zu sehr für Schönheit interessieren. Ich interessierte mich zu sehr für Wahrheit. Und auch ich bezahlte.«
    »Aber Sie sind doch nicht auf eine Insel gekommen«, sagte der Wilde nach langem Schweigen.
    Der Aufsichtsrat lächelte. »So bezahlte eben ich. Ich bezahlte, indem ich mich dem Glück widmete. Dem Glück der anderen, nicht meinem. Es trifft sich gut«, setzte er nach einer Pause hinzu, »daß es so viele Inseln auf der Erde gibt. Ich wüßte nicht, was wir ohne sie täten. Wahrscheinlich euch alle in die Todeszelle stecken. Übrigens, Herr Holmes-Watson, bevorzugen Sie tropisches Klima? Die Marquesainseln etwa oder Samoa? Oder ist Ihnen etwas Rauheres lieber?«
    Helmholtz erhob sich aus seinem pneumatischen Fauteuil. »Ich möchte ein ganz miserables Klima«, antwortete er. »Ich glaube, man schreibt besser, wenn das Klima schlecht ist. Viel Wind und Stürme, zum Beispiel...«
    Der Aufsichtsrat nickte beifällig. »Ihre Denkweise gefällt mir, Herr Holmes-Watson. Sie gefällt mir sogar sehr.
    Ebensosehr, wie ich sie offiziell mißbillige.« Er lächelte.
    »Wie wäre es mit den Falklandinseln?«
    »Ja, ich glaube, die wären das Richtige«, erwiderte Helmholtz. »Und nun, wenn Sie gestatten, werde ich mich um den armen Sigmund kümmern.«

Siebzehntes Kapitel
    »Kunst, Wissenschaft - euer Glück kommt euch recht teuer zu stehen«, bemerkte der Wilde, als er und Mustafa Mannesmann allein zurückgeblieben waren. »Was noch habt ihr geopfert?«
    »Nun, Religion natürlich«, antwortete der Aufsichtsrat.
    »Vor dem Neunjährigen Krieg gab es einen sogenannten Gott. Aber ich vergaß, daß Sie wahrscheinlich über Gott genau Bescheid wissen.«
    »Nun ja...« Der Wilde zögerte. Er hätte gern etwas über Nacht und Einsamkeit gesagt, über die Mesa im bleichen Mondlicht, die Felsabstürze, das Untertauchen in die Schatten der Tiefe und über den Tod. Er hätte es gern gesagt, aber es gab keine Worte dafür. Nicht einmal bei Shakespeare.
    Unterdessen hatte der Aufsichtsrat das Zimmer durchquert und öffnete nun einen Stahlschrank in der Wand zwischen den Bücherregalen. Die schwere Tür ging auf. Er rumorte im dunklen Innern des Tresors und sagte dabei: »Dieses Thema hat mich schon immer sehr interessiert.«
    Dann zog er einen dicken schwarzen Band hervor. »Das, zum Beispiel, haben Sie wohl nie gelesen?«
    Der Wilde nahm das Buch. »Die Heilige Schrift, enthaltend die Bücher des Alten und Neuen Testaments«, las er laut.
    »Oder dieses?« Ein Büchlein, dessen Einband fehlte.
    »Von der Nachfolge Christi.«
    »Und auc h dieses nicht?« Er reichte ihm noch ein Buch.
    »Über die verschiedenen Arten religiösen Erlebens. Von William James.«
    »Ich habe noch eine Menge«, fuhr Mustafa Mannesmannfort und setzte sich wieder. »Eine ganze Sammlung solch verbotener alter Bücher. Gott im Giftschrank und Ford auf den Regalen.« Lachend wies er auf seine für alle Augen offen dastehende Bibliothek, die Bücherregale, die Gestelle voll Lesemaschinenspulen und Tonbandrollen.
    »Aber wenn Sie etwas von Gott wissen, warum sagen Sie es

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